Analyse mit VCDS: EA288 evo und AGR-Raten
In diesem Artikel zeige ich, wie sich die Abgasrückführung beim EA288 evo verhält. Dabei geht es vor allem um die Frage, in wieweit immer noch Verkokung durch die Abgasrückführung droht.
Die vorhandene Dokumentation von VW (VW SSP 595, Audi SSP 671) nennt folgende Aspekte:
- Es gibt eine ungekühlte Hochdruck-Abgasrückführung und eine gekühlte Niederdruck-Abgasrückführung
- Beim Kaltstart wird die Hochdruck-Abgasrückführung verwendet, um heiße Abgase in den Motor zurückzuleiten, und so den Motor schneller aufzuheizen
- Bei niedriger Last wird die Hochdruck-Abgasrückführung verwendet, um ein Auskühlen der Abgasnachbehandlung zu vermeiden
- Im Schubbetrieb kann die Hochdruck-Abgasrückführung verwendet werden, um angesaugte unverbrannte Frischluft direkt in den Motor zurückzuleiten. Ohne diese Funktion würde die relativ kalte, unverbrannte Frischluft Wärme aus den Katalysatoren aufnehmen und abtransportieren
- die Niederdruck-Abgasrückführung wird zur Verringerung der Stickoxid-Produktion bei der Verbrennung von Kraftstoff verwendet.
- die Niederdruck-Abgasrückführung ist in fast allen Betriebszuständen aktiv
Ein weiteres Merkmal habe ich in den SSPs nicht gefunden, es ist bei passendem Wetter im Diagnosesystem jedoch klar zu sehen:
- die Abgasrückführung hat einen Kältemodus
Alle Punkte lassen sich mit VCDS nachvollziehen. Man kann alle dafür notwendigen Werte abfragen:
- Soll-Abgasmassenstrom beider Abgasrückführungen
- berechneter Ist-Abgasmassenstrom beider Abgasrückführungen
- Abgasmassenstrom des Motors
- Ventilpositionen beider AGR-Ventile
Für die weitere Auswertung habe ich jeweils Datenaufzeichnungen gemacht, und dann über eine gewisse Strecke oder über die gesamte Fahrt die Abgasmassen berechnet.
AGR-Raten im Stadtverkehr
Bei niedriger Motorlast, vorwiegend im Stadtverkehr bei konstanter Geschwindigkeit und höchstens geringer Steigung, wird die Hochdruck-Abgasrückführung verwendet, um ein Auskühlen der Abgasnachbehandlung zu vermeiden. Sieht man von Schubbetrieb ab, dann sind AGR-Raten von bis zu 30 Prozent für die Hochdruck-Abgasrückführung zu beobachten. Der folgende Abschnitt zeigt die AGR-Raten auf einer Strecke, auf der abschnittsweise 60 km/h erlaubt sind. Generell gilt: bei höherer Motorlast, z.B. wenn es bergauf geht oder man beschleunigt, nimmt die AGR-Rate der Hochdruck-Abgasrückführung ab.
AGR-Raten auf der Autobahn
Bei normaler Autobahnfahrt spielt die Hochdruck-Abgasrückführung keine nennenswerte Rolle. Hier wird fast nur die Niederdruck-Abgasrückführung verwendet. Die folgende Abbildung zeit Autobahnabschnitte auf gerader Strecke bei Tacho 120 km/h. Die Hochdruck-Abgasrückführung schwankt zwischen 0 und 10 Prozent. Das heißt einfach, dass auf der Autobahn fast kein Ruß in den Motor zurückgeleitet wird. Bei höherer Motorlast wird die Hochdruck-Abgasrückführung beim EA288 evo nicht mehr verwendet, das gilt insbesondere auch bei Vollgas.
Gegen Ende der Fahrt findet hier eine DPF-Regeneration statt, so dass die Werte ab 1.400 Sekunden nicht als repräsentativ betrachtet werden dürfen. Bei 840 bis 860 Sekunden sieht man ein Ausrollen im Freilauf.
Auswertung einer Langstrecke
Die folgende Strecke ist 430 km lang. Die linke Abbildung gibt einen Eindruck vom Streckenverlauf mit Geschwindigkeit und Verbrauch. Es gibt von Sekunde 14.600 bis 14.800 eine längere Steigung mit anschließendem Gefälle.
Eine Auswertung der Rohdaten zeigt folgende AGR-Raten, wenn man die Abgasmasse über die gesamte Fahrt, sowie die Abgasmassen der Abgasrückführungen über die gesamte Fahrt betrachtet:
- Gesamtabgasmasse: 607 kg
- Gesamtmasse der Abgase, die durch die Hochdruck-Abgasrückführung geleitet wurde: 29,8 kg, d.h. 4,9%
- Gesamtmasse der Abgase, die durch die Niederdruck-Abgasrückführung geleitet wurde: 127,6 kg, d.h. 21,0%
Zwischen 6.400 und 7.000 Sekunden findet eine DPF-Regeneration statt. Während der DPF-Regeneration liegt die AGR-Rate bei 10% für die Niederdruck-Abgasrückführung. Ab Sekunde 15.100 sieht man ein längeres Gefälle mit entsprechend hoher AGR-Rate der Hochdruck-Abgasrückführung. Das ist die Warmhaltefunktion, bei der ein möglichst großer Teil der angesaugten und nicht verbrannte Frischluft direkt zurück in den Motor geleitet wird, damit diese relativ kalte Frischluft keine Wärme aus der Abgasnachbehandlung abtransportieren kann.
Mit einer langfristen AGR-Rate von 5% bei der Hochdruck-Abgasrückführung ist nicht mit Problemen wegen Verkokung innerhalb der normalen Nutzungsdauer eines PKW zu rechnen.
Der Kältemodus
Meine Erkenntnisse zum Kältemodus habe ich Mitte Dezember 2022 und Anfang Dezember 2023 gewonnen, als es im Süden Deutschlands tatsächlich so kalt war, dass Untersuchungen bei Temperaturen von fast -20°C möglich waren.
Die Abgasrückführung unterscheidet einen Kältemodus und einen Normalmodus. Im Kältemodus wird die Niederdruck-Abgasrückführung bei niedriger Motorlast geschlossen. Dadurch steigt die Stickoxid-Produktion erheblich an, der AdBlue-Verbrauch ebenfalls (siehe Analyse mittels VCDS: EA288 evo im Winter). Der Kältemodus wird aktiviert, sobald die Außentemperatur während der Fahrt auf -15°C fällt. Steigt die Außentemperatur wieder auf -12°C, wird der Kältemodus verlassen. Soweit ich das sehen kann, wird der Kältemodus nach einem Kaltstart beibehalten, wenn die Außentemperatur zu dem Zeitpunkt, zu dem nach einem Kaltstart die Niederdruck-Abgasrückführung zugeschaltet werden soll, unterhalb von -12°C liegt. Fährt man also bei konstanten -13°C bis -14°C los und bleibt man in diesem Temperaturbereich, dann fährt man im Kältemodus.
Die folgende Abbildung zeigt das Verhalten der Umschaltung: Bei etwa 270 Sekunden steigt die Außentemperatur auf -12°C, so dass die Abgasrückführung im Normalmodus arbeitet. Die Niederdruck-Abgasrückführung schwankt hier um die 20 Prozent herum und steigt dann auf fast 30 Prozent. Etwa bei Sekunde 820 fällt die Außentemperatur auf -15°C, während die Geschwindigkeit und Motorlast etwa konstant bleiben. Die AGR-Rate der Niederdruck-Abgasrückführung fällt spontan auf 0, die der Hochdruck-Abgasrückführung steigt von weniger auf 10 auf mehr als 20 Prozent. Bei einer kurzen Beschleunigung wird die Niederdruck-Abgasrückführung wieder aktiv. Bei 950 Sekunden sieht man wieder einen Abschnitt mit konstanter Geschwindigkeit ohne Niederdruck-Abgasrückführung, ebenso um 1.100 Sekunden herum.
Fazit
Im reinen Stadtverkehr wäre immer noch mit einer gewissen Verkokung zu rechnen. Kaum ein Dieselfahrer legt sich jedoch einen Diesel-PKW zu, um dann überwiegend im Stadtverkehr zu fahren. Wer einen solchen Motor auf einigermaßen "übliche" Weise bewegt, d.h. mit überwiegender Fahrt außerhalb von Stadtverkehr, wird innerhalb der normalen Nutzungsdauer im Normalfall keine Probleme mit AGR-bedingter Verkokung haben.
Hier geht es zurück zur Übersicht: AdBlue, AGR und DPF: Analyse mittels VCDS