Vorsicht Zulassungszahlen

Anti-Diesel-Trolle arbeiten gerne mit Zahlen zu Neuzulassungen, um daraus herzuleiten, dass der Diesel spätestens seit 2020 tot sei. Wie Auto Motor Sport bereits Anfang 2020 berichtete [1], zählt das KBA sogar Mild-Hybride nur als Hybride, obwohl Mild-Hybride ohne Kraftstoff nicht einmal ausparken können. Andere Trolle verwenden vorwiegend die Neuzulassungen von E-Autos im November und Dezember, um von 20% E-Auto-Quote zu fantasieren. In diesem Artikel zeige ich, wie solche Zahlen zu verstehen sind.

Tatsächlich sieht es so aus: von Januar bis November 2022 wurden 2.337.039 Fahrzeuge in Deutschland neu zugelassen, davon 438.349 reine Diesel (=18,75%), 139.481 Diesel-Mild-Hybride (=5,97%) und 15.077 Diesel-Plugin-Hybride (0,64%). Das heißt also, 577.830 = 24,72% dieser Fahrzeuge fahren ausschließlich mit Diesel. Anti-Diesel-Trolle behaupten dann, dass nur noch 18,75% der Neuzulassungen Diesel seien, oder gar, dass nur 18,75% aller Neuzulassungen einen Diesel-Motor hätten. Schaut man nur die Hersteller an, die noch Diesel verkaufen wollen, dann sieht man, dass deren Zahlen natürlich deutlich höher sind. Zum Beispiel hatte BMW 187.319 Neuzulassungen, davon 14.694 Diesel und 50.951 Diesel-Mild-Hybride. Anti-Diesel-Trolle behaupten nun, dass BMW nur noch eine Diesel-Quote von 7,8% hätte, während es tatsächlich natürlich 35,0% sind.

Auch wenn es technisch korrekt ist, dass Mild-Hybride eine Art von Hybrid sind, so ist es definitiv nicht hilfreich. Mild-Hybride können besser rekuperieren als Fahrzeuge, die gar kein Hybrid-System haben, und sparen ein paar Prozent an Kraftstoff. Mild-Hybride stellen eine sinnvolle Verbesserung des Verbrennungsmotors dar. Dass sie aber nicht zu den Verbrennern, sondern nur zu den Hybriden gerechnet werden, ist im Bestfall eine Irreführung des Lesers.

Spätestens dann, wenn geschrieben wird, dass "x Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge einen Diesel-Motor hatten" und dann Mild-Hybride nicht inbegriffen sind, handelt es sich um Falschinformationen, da Diesel-Mild-Hybride natürlich einen Diesel-Motor haben. Bei dieser Formulierung müsste man auch Diesel-Plugin-Hybride dazuzählen, denn auch die haben ja einen Diesel-Motor.

Aus der Mode ist dieser Rechentrick immer noch nicht, auch nicht im August 2022 [11] und September 2022 [12].

Tatsächlich konnte auf diese Weise das Bundesverkehrsministerium eine Elektrifizierung1 der Fahrzeugflotte vortäuschen, die es in diesem Maß nicht gibt. Schauen wir uns am Beispiel November 2019 vs. November 2020 an, zu welchem Unsinn das geführt hat. Die Zahlen stammen aus [2] und [3].

  Nov. 2019  Nov. 2020 Relative Änderung der absoluten Zahlen
Benziner 57,9% 40,4% -32,3%
Diesel 31,6% 24,3% -25,4%
Hybride 8,7% 24,7% +177,2%
Plug-In 2,1% 10,6% +216,1%

 

Das heißt also: Die Hybrid-Quote wird künstlich von 10,6% auf 24,7% aufgebläht. Im November 2020 wurden 14% der Neuzulassungen als "Hybrid" gezählt, obwohl sie nicht extern aufgeladen werden können. Diese 14% der neu zugelassenen Fahrzeuge fahren ausschließlich mit Benzin oder Diesel. Das KBA mochte bis 2020 jedoch in den monatlichen Pressemeldungen keine Angaben dazu machen, wie viele davon Benziner und wie viele davon Diesel sind. Warum auch, sie sollten ja ausschließlich in die Hybrid-Statistik einfließen. Anti-Diesel-Trolle nutzen genau diesen Umstand aus, um falsche und zu niedrige Zahlen für Diesel-Fahrzeuge zu veröffentlichen. Im Einzelfall ist natürlich schwer zu unterscheiden, ob ein Journalist völlig inkompetent ist, die Irreführung von Verbrauchern durch das BMVI aktiv unterstützen möchte, oder ein Anti-Diesel-Troll aus Überzeugung ist.

Laut VDA lag die Diesel-Quote inklusive Mild-Hybride im Dezember 2020 bei 26,2% [6]. Laut KBA lag sie bei 21,7% [7]. Das heißt: Im Dezember 2020 lag der Anteil an Diesel-Mild-Hybriden bereits bei 4,5% der gesamten Neuzulassungen. Für das Gesamtjahr 2020 wird der Diesel-Anteil vom KBA mit 28,1% [8] angegeben. Man kann also davon ausgehen, dass für das Gesamtjahr 2020 der Diesel-Anteil inklusive Mild-Hybriden bei ca. 31%, vielleicht 32% lag. 

In Monaten, in denen man Plugin-Hybride als "Elektroauto" zählen musste, damit mehr "Elektroautos" als Diesel zugelassen wurden, wurden Plugin-Hybride einfach als "Elektroauto" gezählt, um die Überschrift "Mehr E-Autos als Diesel zugelassen" generieren zu können.

Ab 2021 veröffentlich das KBA genauer aufgeschlüsselte Zahlen, wenn man sich die Statistik "FZ10" anschaut. In den Pressemeldungen des KBA wird jedoch weiterhin nur mit der irreführenden Definition gearbeitet. Für den Zeitraum Q1/2021 hat das KBA zahlen veröffentlicht [9], laut denen von 656.452 neu zugelassenen Fahrzeugen:

  • 158.163 reine Diesel
  • 45.647 Diesel mit irgendeiner Art von Hybrid-System
    • davon 38.343 ohne externe Lademöglichkeit
    • davon 7.304 Diesel-Plugin-Hybride

waren. Das heißt: während das KBA für das erste Quartal 2021 eine Diesel-Quote von 24,1% angibt, lag die tatsächliche Diesel-Quote bei (158.163 + 38.343) / 656.452 = 29,9%, wenn man Diesel-Plugin-Hybride nicht als Diesel zählt.

Schaut man sich einzelne Hersteller an, dann sind die Zahlen noch auffälliger: Für den September 2021 berichteten Anti-Diesel-Trolle nur noch eine Diesel-Quote von ca. 16% und leiteten daraus her, dass der Diesel tot sei. Tatsächlich findet man für September 2021 in den Zahlen des KBA folgendes [10]:

September 2021
Marke(/Modell) Fahrzeuge gesamt KBA-Diesel Diesel-Mild-Hybride Diesel gesamt
Audi 9.934 989 10.0% 2.004 20,2% 2.993 30,1%
BMW 16.487 1.426 8,6% 4.725 28,7% 6.151 37,3%
Mercedes 13.734 5.003 36,4% 235 1,7% 5.238 38,1%
VW 31.002 9.637 31,1% - - 9637 31,1%
VW/Golf 6.886 2.715 39,4% - - 2.715 39,4%
VW/Passat 1.923 1.255 65,3% - - 1.255 65,3%

 

Wie man leicht sehen kann, liegt die Diesel-Quote bei den Marken VW, Audi, BMW und Mercedes bei über 30%, selbst relativ kleine Fahrzeuge wie der Golf werden in nennenswerter Menge als Diesel verkauft.

Der angebliche Experte Ferdinand Dudenhöffer treibt dieses Prinzip noch weiter und behauptete am 25.11.2020 auf Twitter, er habe "keine Zeit, um die Zahlen für Benziner herauszusuchen" [4], als ihn jemand danach gefragt hat. Tatsächlich passen die Zahlen einfach nicht in sein Narrativ: Laut den Zahlen, die er verwenden muss, um sein Narrativ zu unterstützen, verschwindet der Benziner in Deutschland nämlich noch schneller als der Diesel: -32% für Benziner gegen -25% für Diesel. Auch andere Anti-Diesel-Trolle verwenden seine angebliche Expertise, um den Diesel tot zu rechnen, z.B. EFahrer [5]. 

Ende 2021 haben sich Anti-Diesel-Trolle mit Meldungen überschlagen, dass mehr Elektroautos als Diesel zugelassen wurden. Während diese Behauptung zu diesem Zeitpunkt bereits seit mindestens einem Jahr immer wieder wiederholt wurde (notfalls wurden Plugin-Hybride als Elektroauto und Diesel-Mild-Hybride als nicht-Diesel gezählt), war die Aussage im Dezember 2021 zum ersten Mal tatsächlich korrekt: Es wurden 35.646 reine Diesel, 10.206 Diesel-Mild-Hybride, und 48.436 Elektroautos zugelassen. Anfang Februar 2022 fehlten plötzlich die Berichte über Zulassungszahlen von Januar 2022 in vielen Medien, vor allem bei den Anti-Diesel-Trollen. Den Grund findet man in den Zulassungszuzahlen für Januar 2022: von 184.112 Fahrzeugen waren 39.713 reine Diesel, 12.393 Diesel-Mild-Hybride, und nur 20.892 Elektroautos. Die Dieselquote lag damit bei über 28,3% inkl. der Mild-Hybride, und Elektroautos bei nur 11,3%.

Die folgenden Abbildungen zeigen den Anteil verschiedener Antriebsarten, basierend auf den Zahlen des KBA, für 2019 und 2020: 

 

 

Vorsicht bei Zulassungszahlen für E-Autos

In den Jahren 2021 und 2022 gab es besondere Effekte, die im November und Dezember zu höheren Zulassungszahlen für E-Autos führten, die aber von Anti-Diesel-Trollen verwendet werden, um einen falschen Eindruck zu erwecken.

Im Jahr 2021 war relativ lange unklar, ob der doppelte staatliche Zuschuss bei der Förderung auch im Jahr 2022 erhalten bleiben würde, d.h. ob die staatliche Förderung bei 6.000€ bleibt, oder ob sie auf 3.000€ sinkt. Autohersteller können aber nicht bis Dezember warten, um die Dezember-Produktion planen.

Im Jahr 2022 wurde dann klar, dass der Zuschuss für Anträge ab 2023 auf 4.500€ sinkt. Im Jahr 2021 haben sich Autohersteller also entschieden, gegen Jahresende mehr E-Autos zu produzieren als vorher und nachher, und ich wage die Vorhersage, dass die Zahlen für Anfang 2023 ähnlich aussehen werden wie für Anfang 2022. Ein noch tieferer Einbruch wegen der geringeren staatlichen Förderung und der massiv gestiegenen Strompreise wird dagegen noch auf sich warten lassen, da erst einmal die vorhandenen Bestellungen abgearbeitet werden müssen, was mindestens 1 Jahr dauern wird. Es könnte aber sein, dass Ende 2022 einfach besonders viele E-Autos in der Produktion vorgezogen wurden, damit die Kunden noch den vollen Zuschuss beantragen können.

Außerdem müssen Autohersteller einen Flottengrenzwert beim CO2 einhalten, z.B. 95g CO2/km für 2021. Es macht aus dieser Sicht Sinn, gegen Jahresende exakt so viele E-Autos zu produzieren, dass der Flottendurchschnitt eine Punktlandung wird. Falls dieser Aspekt weniger E-Autos erfordert als der vorherige, kann der Hersteller natürlich wählen, ob er sein CO2-Ziel unterbieten möchte, damit mehr Kunden die volle Prämie bekommen, oder nicht.

Das ganze wird deutlich, wenn man sich die Zulassungszahlen direkt anschaut. Die Veränderung von Ende 2021 zu Anfang 2022 ist besonders bemerkenswert:

Jahr Monat Neuzulassungen 
Gesamt davon E-Autos Anteil
2020 November 290.150 28.965 10,0%
Dezember 311.394 43.671 14,0%
2021 Januar 169.754 16.315 9,6%
Februar 194.349 18.278 9,4%
... .. ..  
November 198.258 40.270 20,3%
Dezember 227.630 48.436 21,3%
2022 Januar 184.112 20.892 11,3%
Februar 200.512 28.306 14,1%
März 241.330 34.474 14,3%
...      
November 260.512 57.980 22,3%
Dezember 314.318 104.325 (!) 33,2% (!)
2023 ... ... ... ...

 

Besondere Vorsicht bei Zulassungszahlen für Tesla

Die monatlichen Neuzulassungszahlen bei Tesla unterliegen sehr starken Schwankungen. Das liegt einfach daran, dass Tesla nicht einen gleichmäßigen Strom von Fahrzeugen überall hin ausliefert, sondern dass sporadisch größere Auslieferungen stattfinden. Wenn dann mehrere Monate lang praktisch nichts nach Deutschland geliefert wurde, und dann im folgenden Monat besonders viele Teslas nach Deutschland ausgeliefert wurden, dann bringen einige Trolle Meldungen der Art "Mehr Teslas als VW Golf zugelassen".

Um das mal zu demonstrieren, zeigt die folgende Tabelle die monatlichen Neuzulassungen von Teslas in Deutschland. Die Zahlen stammen alle vom KBA aus den FZ10-Statistiken:

  2021 2022
Januar 453 419
Februar 1.918 5.944
März 3.703 8.045
April 484 650
Mai 2.744 293
Juni 4.466 2.908
Juli 489 1.184
August 3.810 5.291
September 7.903 13.724
Oktober 1.469 3.185
November 5.613 10.819
Dezember 6.662 N/A

Tesla hat im Jahr 2022 in Deutschland bis inkl. November 52.462 Neuzulassungen, davon 1/4 im September. Der September ist also nicht repräsentativ, nicht einmal ein kleines bisschen. Dennoch wird er gerne so dargestellt.

Fußnoten

1: Ein "elektrifizierter Antrieb" ist einer, bei dem ein Elektromotor für den Antrieb vorhanden ist, auch ein Mild-Hybrid.

Externe Links

[1] IRREFÜHRENDE KBA-STATISTIK (Quelle: Auto Motor Sport, abgerufen: 02.01.2021)

[2] Pressemitteilung Nr. 26/2019 - Fahrzeugzulassungen im November 2019 (Quelle: KBA, abgerufen: 01.04.2021)

[3] Pressemitteilung Nr. 28/2020 - Fahrzeugzulassungen im November 2020 (Quelle: KBA, abgerufen: 01.04.2021)

[4] https://twitter.com/DudenhofferAUTO/status/1331628894529654787

[5] Auto-Experte ist sicher: Die Zeit des Diesels ist vorbei (abgerufen: 08.02.2021)

[6] Jeder vierte Neuwagen elektrisch (Quelle: VDA, abgerufen: 19.02.2021)

[7] Neuzulassungsbarometer im Dezember 2020 (Quelle: KBA, abgerufen: 19.02.2021)

[8] Pressemitteilung Nr. 02/2021 - Fahrzeugzulassungen im Dezember 2020 - Jahresbilanz (Quelle: KBA, abgerufen: 19.02.2021)

[9] https://www.kba.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Statistik/Fahrzeuge/FZ/2021_monatlich/FZ10/fz10_2021_03.xlsx?__blob=publicationFile&v=3

[10] https://www.kba.de/SharedDocs/Downloads/DE/Statistik/Fahrzeuge/FZ10/fz10_2021_09.xlsx?__blob=publicationFile&v=5

[11] https://twitter.com/MasseyFriend/status/1558812690986008576

[12] Autoabsatz: Verkaufszahlen im Keller, Stimmung eingetrübt (Quelle: heise, abgerufen: 06.09.2022)

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