Abgasnachbehandlung mittels AdBlue
Dieses Thema ist nun auch als PDF unter Downloads unter dem Titel "ADBLUE BEI DIESEL-PKW - Analyse anhand von chemischen Reaktionen anstatt absurder Vermutungen" verfügbar. Es handelt sich nicht um eine einfache Kopie der Seite, sondern um einen in sich abgeschlossenen Artikel, der auch die Analyse mittels VCDS beinhaltet.
Viele Fahrer aktuellerer Diesel-PKW der Abgasnorm Euro 6d-TEMP und neuer, die auch im realen Straßenverkehr getestet werden, beobachten einen AdBlue-Verbrauch von nur ca. 1 Prozent des Kraftstoffverbrauchs, obwohl "Experten" im Jahr 2016 und 2017 nicht nur behauptet hatten, dass der Verbrauch bei mindestens 5 Prozent liegen müsste, sondern sogar noch behauptet hatten, dass der AdBlue-Verbrauch bei (damals) zukünftigen Abgasnormen weiter steigen würde.
Schauen wir uns zunächst Daten an, die ich aus meinem Fahrzeug der Abgasnorm Euro 6d ausgelesen habe.
Die eigentlich wichtigen Daten aus den vier Bildern sind dann folgende:
Kilometerstand [km] | Kraftstoff-Verbrauch [l] | Kraftstoff-Verbrauch [l/100km] | AdBlue-Verbrauch gesamt | AdBlue-Verbrauch [l/1000km] | |||
26.777 | 1.549,12 | 5,79 | 18.880 g | = | 17.321 ml | 0,647 | |
29.737 | 1.704,65 | 5,73 | 20.632 g | = | 18.928 ml | 0,637 | |
Differenz | 2.960 | 155,53 | 5,25 | 1.752 g | = | 1.607 ml | 0,543 |
Wir sehen also einen Kraftstoffverbrauch von 5,25 l/100km und einen AdBlue-Verbrauch von 0,543 l/1.000km über eine Strecke von knapp 3.000 km, was etwas mehr als 1,0% des Kraftstoffverbrauchs entspricht. Insgesamt, über die ersten 29.737 km, liege ich bei 5,73l/100km und einem AdBlue-Verbrauch von 0,637l/1.000km, was 1,1% des Kraftstoffverbrauchs entspricht.
Wie passt die Erkenntnis, dass 1 Prozent reicht, damit zusammen, dass Experten behauptet haben (genaue Formulierung: "meinten", siehe [39]), es wären mindestens 5 Prozent erforderlich? Könnte ein Wert von 5 Prozent vielleicht für ältere Motoren tatsächlich zutreffen? Die kurze Antwort lautet: Nein. Für ältere Motoren ist der Wert zwar höher als 1 Prozent, aber nicht so hoch. Die Aussagen von damals waren nicht einfach nur falsch, es handelte sich auch nicht um einfache Irrtümer. Die Frage, wie hoch der AdBlue-Verbrauch sein muss, oder hätte sein müssen, ist eine Rechenaufgabe, die keiner Meinungsbildung unterliegt, und bei der Vermutungen und Schätzungen fehl am Platz sind.
In diesem Artikel zeige ich für AdBlue-Systeme
- AdBlue-Verbrauch und Kosten
- welche chemischen Reaktionen stattfinden
- wie man aus Stickoxiden pro Kilometer auf den notwendigen AdBlue-Verbrauch kommt
- wie hoch der AdBlue-Verbrauch tatsächlich hätte sein müssen, insbesondere auch bei Euro 5 - Fahrzeugen, wenn sie ein AdBlue-System gehabt hätten (nicht "5%")
- welche Kosten für AdBlue sich daraus tatsächlich ergeben
- dass der AdBlue-Verbrauch auch für die kommende Euro 7 - Norm nicht nennenswert steigen kann
- Größe des AdBlue-Tanks
- warum die Behauptung, AdBlue-Tanks seien zu klein gewesen, für den europäischen Markt Unsinn ist
- warum größere Tanks für europäische Fahrzeuge eine Scheinlösung wären, und warum keine seriöse Quelle wesentlich größere Tanks als Lösung in Betracht gezogen hat
- dass echte Experten bereits 2002 nicht mehr hätten glauben können, dass es ein festes Verhältnis zwischen AdBlue- und Dieselverbrauch, wie z.B. "5%", gibt. Auch Angaben wie "3-5%" des ADAC und VDA sind nicht viel besser
- wie AdBlue-Systeme Fehlfunktionen erkennen
Ich weiß nicht, ob das heute noch so ist, aber eine Zeitlang war es cool, schlecht in Naturwissenschaften zu sein. Falls es sich bei der falschen Berichterstattung nicht um böse Absicht, sondern tatsächlich nur um Fehler gehandelt hat, müssen viele Journalisten, und auch der eine oder andere "Experte", extrem cool gewesen sein.
Begriffe
AdBlue ist eine Markenbezeichnung für "Diesel Exhaust Fluid" = "DEF" (= "Dieselabgasflüssigkeit") = AUS 32. Es wird beim aktuellen Stand der Technik für die Reduktion von Stickoxiden (NOx), d.h. Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2), aus Dieselabgasen benötigt. Dies gilt nicht nur für LKW und PKW. Die SCR-Technik existiert auch für Notstromgeneratoren [2] und für kleine und große Schiffe [3], sogar für Kreuzfahrtschiffe [15].
Der Begriff "Reduktion" bezeichnet nicht "Verringerung" (=Reduzierung), sondern ist einfach das Gegenteil von "Oxidation". Das Wort stammt vom lateinischen "reducere" = "zurückführen/wiederherstellen", so dass die Ähnlichkeit mit dem Wort für Verringerung reiner Zufall ist. Stickstoff kann zu Stickoxiden oxidiert werden, Stickoxide können zu Stickstoff reduziert werden. Ein korrekter Satz wäre zum Beispiel: "Durch Reduktion kann die Menge an Stickoxiden in Abgasen um xx Prozent verringert werden." Völliger Unsinn dagegen sind Behauptungen, nach denen Stickoxide noch einmal verbrannt und so beseitigt werden könnten, denn beim Verbrennen wird immer Sauerstoff hinzugefügt, niemals Sauerstoff entfernt.
Während die Reduktion von NOx bei Benzinern im 3-Wege-Katalysator geschieht6, ist bei Dieselmotoren eine andere Lösung erforderlich. Der 3-Wege-Katalysator funktioniert dafür nur, wenn kein oder kaum freier Sauerstoff im Abgas ist. Diese andere Lösung ist im Regelfall ein SCR-Katalysator, der zum Betrieb Ammoniak (NH3) benötigt. Da ein Ammoniak-Gastank im Fahrzeug unpraktikabel wäre, wird Ammoniak erst während des Betriebs des Motors aus AdBlue gewonnen. In dieser Funktion wird AdBlue als Reduktionsmittel bezeichnet: Es ist ein Mittel, um die Reduktion von Stickoxiden zu Stickstoff zu ermöglichen.
In der Abgasverordnung ist die Rede von Abgasnachbehandlungssystemen, die ein zusätzliches Reagens benötigen. Ein Reagens ist einfach ein Stoff, der für eine chemische Reaktion verwendet wird, zum Beispiel das Reduktionsmittel AdBlue.
Stickstoffdioxid ist das Gas, um das es bei Diskussionen um belastete Stadtluft geht. Die Richtlinie 2008/50/EG [32] aus dem Jahr 2008 schreibt hier einen Jahresdurchschnittsgrenzwert von 40µg/m3 und einen Stundendurchschnittsgrenzwert von 200µg/m³ vor. Stickstoffmonoxid wird dabei nicht betrachtet. Ab 2030 wird der Jahresdurchschnittsgrenzwert voraussichtlich bei 20µg/m³ liegen.
Bei Auspuff-Emissionen wird Stickstoffmonoxid sehr wohl betrachtet. Die Abgasnormen betrachten die Summe aus NO und NO2. Theoretisch wäre es ja möglich, dass Fahrzeuge zwar viel NO, aber kaum NO2 emittieren. Bei Diesel-PKW von Euro 3 bis inkl. Euro 5 ist jedoch ca. die Hälfte des ausgestoßenen NOx tatsächlich NO2 (Seite 9 in [17]). Außerdem reagiert NO + O3 -> NO2 + O2. Das Argument, dass oft NOx und NO2 verwechselt wird, ist zwar eine korrekte Aussage, hilft aber nicht. Des Weiteren gelten die Emissionsgrenzwerte, und zwar aus genau diesem Grund, für Fahrzeuge nicht für die tatsächliche Abgasmasse, sondern für das "NO2-Äquivalent". NO-Emissionen werden so berechnet, als ob das NO mit Sicherheit noch zu NO2 oxidiert wird. Daher kann man auch annehmen, dass sich alle Angaben über gemessene Realemissionen auf das NO2-Äquivalent beziehen.
Manchmal wird AdBlue als "Diesel-Zusatz" bezeichnet, sogar vom ADAC [33]. Das ist falsch. Ein Diesel-Zusatz wäre etwas, das man in den Dieselkraftstoff hineingibt. AdBlue darf nicht in den Kraftstoff gemischt werden.
Statt von "AdBlue-Einspritzung" wird manchmal von "Harnstoffeinspritzung" gesprochen. Das ist zumindest eine unglücklich Wortwahl, denn sowohl der Harnstoff, als auch ein Teil des Wassers, in dem er gelöst ist, wird für die chemischen Reaktionen benötigt.
Die Einheit der Stoffmenge lautet Mol und hat das Einheitenzeichen mol. Ein Mol eines Stoffes besteht aus 6 ∗ 1023 Atomen oder Molekülen des Stoffes. Die Masse eines Mols eines Stoffes ist seine molare Masse. Zum Beispiel beträgt die molare Masse von Wasser 18 g/mol.
Ein Massenstrom gibt die Masse pro Zeiteinheit an, zum Beispiel in Kilogramm pro Stunde. Wenn ein Verbrennungsmotor Kraftstoff mit Luft verbrennt, entsteht ein gewisser Abgasmassenstrom, der typischerweise in Kilogramm pro Stunde oder Gramm pro Sekunde angegeben wird.
Die Raumgeschwindigkeit von Abgasen in einem Katalysator gibt an, wie viel Abgase in einer gewissen Zeit durch den Katalysator gehen, bezogen auf das Volumen. Hat ein Katalysator ein Volumen von 3 Litern, und gehen 30.000 Liter Abgase pro Stunde durch den Katalysator, dann beträgt die Raumgeschwindigkeit 10.000 pro Stunde. Eine hohe Raumgeschwindigkeit bedeutet also, dass sich die Abgase nur eine sehr kurze Zeit im Katalysator aufhalten.
Die Umwandlungsrate gibt an, welcher Anteil der Stickoxide umgewandelt werden können. Bei einer Umwandlungsrate von 95 Prozent würden dann 5 Prozent der produzierten Stickoxide tatsächlich ausgestoßen.
Die Luft besteht zu 78 Prozent aus Stickstoff. Wenn also einzelne Medien über eine zu hohe Stickstoff-Belastung in der Luft sprechen [30], dann kann man nur noch den Kopf schütteln.
Rechtliche Grundlagen
Innerhalb der EU gibt es für Fahrzeuge mit AdBlue einige Bestimmungen, die speziell für Abgasnachbehandlungssysteme, die ein zusätzliches Reagens benötigen, definiert wurden. Der Verordnungsgeber hat diese Bestimmungen so formuliert, dass er kein bestimmtes Reagens vorgibt. AdBlue ist aber derzeit (2023) das einzige Reagens, das unter Verwendung dieser Bestimmungen im Einsatz ist.
Folgende Verordnungen spielen eine Rolle:
- 715/2007 [27]
- 692/2008 [23]
- 2017/1151 inkl. UNECE-Verordnung 83 Anlage 6 (Achtung: nicht Anhang 4a Anlage 6, sondern einfach Anlage 6) als Nachfolger der 692/2008 [28] [29]
- Für Nutzfahrzeuge ab 2610 kg zulässige Gesamtmasse: UNECE-Verordnung 49
Prinzipielle Funktionsweise
An dieser Stelle möchte ich zunächst auf die prinzipielle Funktionsweise eines AdBlue-Systems eingehen, ohne dabei bereits zu tief ins Detail zu gehen.
AdBlue wird in einem separaten Tank im Fahrzeug mitgeführt. Seit vielen Jahren schon ist es üblich, dass sich der Tankstutzen dafür direkt neben dem für Diesel befindet. Es gab jedoch unter den ersten PKW mit AdBlue-Technik auch welche, bei denen der Zugang umständlicher war, z.B. in der Reserveradmulde. Das Verstecken des Tankstutzens hatte dabei keinerlei Vorteil für den Kunden. Im Gegenteil, dadurch konnte der Kunde "motiviert" werden, wahnwitzige Preise beim Service für das Füllen einer Flüssigkeit in einen Tank zu bezahlen.
Während der Fahrt wird AdBlue in die heißen Abgase eingespritzt und dadurch verdampft. Für die Verdampfung ist eine ausreichend hohe Abgastemperatur notwendig. Bei der ersten Generation von AdBlue-Systemen lag diese bei 220°C, aber bereits 2014 waren Systeme bekannt, die mit 180°C auskamen [36]. AdBlue verdampft dabei zu Ammoniak. Der Ammoniak muss sich mit den Abgasen durchmischen. Dazu befindet sich ein Mischer im Abgasrohr, der einen Wirbel verursacht.
Anschließend reagiert im SCR-Katalysator Ammoniak mit Stickoxiden zu Stickstoff und Wasser. Auch der SCR-Katalysator muss dazu eine gewisse Mindesttemperatur haben. Üblich ist eine Freigabe der AdBlue-Einspritzung, wenn der SCR-Katalysator 150°C erreicht. SCR-Katalysatoren können auch eine gewisse Menge Ammoniak speichern.
Hat man zu wenig Ammoniak, weil zu wenig AdBlue eingespritzt wird, bleiben zu viele Stickoxide übrig. Hat man zu viel Ammoniak, weil zu viel AdBlue eingespritzt wurde, bleibt Ammoniak übrig, und erzeugt einen unangenehmen Geruch. Heutzutage verfügen daher viele PKW mit AdBlue-System auch über einen sogenannten Ammoniak-Sperrkatalysator, d.h. über eine Abgasreinigung für Ammoniak, obwohl es bis inklusive Euro 6e keinen Grenzwert für Ammoniak-Emissionen bei PKW gibt. Fahrzeuge mit Ammoniak-Sperrkatalysator können eine Überdosierung im Bereich von einigen Prozent verwenden, um die Wirkung des Systems zu verbessern. An meinem eigenen Fahrzeug sehe ich Überdosierungen von bis zu 15 Prozent.
Für die Speicherung von Ammoniak gilt, dass SCR-Katalysatoren bei niedrigen Temperaturen viel mehr Ammoniak speichern können als bei hohen Temperaturen. Speichert man viel Ammoniak, und gibt der Fahrer dann Vollgas, würde sich so viel Ammoniak aus dem Katalysator lösen, dass auch nach der Reaktion mit Stickoxiden noch zu viel Ammoniak übrig bleibt. Speichert man zu wenig Ammoniak, funktioniert das System im Stadtverkehr nicht optimal, denn bei niedrigen Katalysatortemperaturen erreicht man die besten Ergebnisse dann, wenn relativ viel Ammoniak gespeichert ist. Das bedeutet, dass es sinnvoll ist, eine Regelung der Ammoniak-Beladung vorzusehen. Da die Ammoniak-Beladung nicht gemessen werden kann, ist eine solche Regelung mit gewissen Herausforderungen verbunden. Im Prinzip ist es möglich, anhand des letzten Schätzwertes für die Ammoniak-Beladung, der aktuellen Ammoniak-Zufuhr, der aktuellen Messwerte für NOx vor SCR, NOx nach SCR, und der Katalysatortemperatur, einen neuen, verbesserten Schätzwert zu berechnen.
Die maximal erreichbare Umwandlungsrate wird vor allem durch die Katalysatortemperatur und die Raumgeschwindigkeit bestimmt. Dabei ist eine niedrige Katalysatortemperatur schlecht, eine mittlere Katalysatortemperatur gut, eine hohe Katalysatortemperatur wieder schlecht, eine niedrige Raumgeschwindigkeit gut, und eine hohe Raumgeschwindigkeit wiederum schlecht. In der Presse wurden im Wesentlichen maximale Umwandlungsraten zwischen 80 und 90 Prozent genannt, allerdings lässt sich leicht zeigen, was ich weiter unten auch demonstriere, dass bereits 2013 eine durchschnittliche Umwandlungsrate von mindestens 95-97 Prozent bei LKW möglich war.
Frühere Fahrzeuge arbeiteten oft so, dass sie die Menge an Stickoxiden im Rohabgas schätzen, und auf Basis dieser Schätzung bestimmen, wieviel Ammoniak notwendig ist. Die Menge an Stickoxiden, die bei der Verbrennung entsteht, ist jedoch schwierig zu schätzen, und die Fachliteratur geht davon aus, dass mit dieser Methode Umwandlungsraten von bestenfalls 80 Prozent erreichbar sind, wenn man keine hohen Ammoniak-Emissionen riskieren möchte. Neuere Fahrzeuge, die unter günstigen Umständen, z.B. gleichmäßige moderate Motorlast, nahezu 100 Prozent Umwandlung erreichen, verwenden einen Stickoxid-Sensor, um die Menge an Stickoxiden im Rohabgas zu messen.
Bei den ersten Fahrzeugen mit SCR-Katalysator wurde dieser im Unterflur eingebaut. Dabei ist jedoch die Mindesttemperatur ein Problem, besonders im Stadtverkehr. Dem kann entweder dadurch begegnet werden, dass ein motornaher NOx-Speicherkatalysator in den ersten Minuten, und bei niedriger Last die Stickoxid-Nachbehandlung übernimmt (vor allem, aber nicht nur, bei BMW), oder dass eine zusätzliche SCR-Beschichtung auf den Partikelfilter aufgebracht wird. Im letzteren Fall hat man ein DPF/SCR-Kombigerät, welches motornah verbaut werden kann. Die Varianten können auch kombiniert werden. Vor allem bei Fahrzeugen ab der Abgasnorm Euro 6d finden sich welche, die motornah eine DPF/SCR-Kombination verwenden, und zusätzlich im Unterflur einen weiteren SCR-Katalysator haben. Bei solchen Fahrzeugen kann es dann auch zwei AdBlue-Injektoren geben.
Ein Stickoxid-Sensor nach dem SCR-Katalysator überwacht die korrekte Funktion. Misst dieser Sensor ungewöhnlich hohe Werte über eine längere Zeit, liegt eine Fehlfunktion vor. Das gilt auch, wenn der Sensor gar nichts misst, weil er defekt ist, oder unplausible Werte liefert. Ebenso wird der Druck im AdBlue-System sowie die Funktion der AdBlue-Injektoren überwacht, möglicherweise wird auch der Durchfluss gemessen. Bei dieser Art von Fehler im AdBlue-System wird die Restreichweite des Fahrzeugs begrenzt. Typisch sind 1.000 km, gesetzlich gefordert ist eine Begrenzung auf nicht mehr als die typische Reichweite mit einem vollen Dieseltank. Fahrzeuge, die im WLTP weniger als 1.000 km mit einer Kraftstofftankfüllung schaffen, dürften hier streng genommen auch nur eine geringere Reststrecke zulassen.
Ein AdBlue-System muss so konstruiert sein, dass es bis mindestens −15°C funktioniert. Das verlangt die Verordnung 692/2008, Anhang XVI, Punkt 10. AdBlue gefriert jedoch bei −11°C, und dehnt sich dabei um 7 Prozent aus. Zum einen bedeutet das, dass der Tank so konstruiert sein muss, dass eine Zapfpistole rechtzeitig abschaltet, so dass es beim anschließenden Einfrieren nicht zur Zerstörung des Tanks kommt. Des Weiteren muss ein AdBlue-Tank beheizt sein. Es gibt keine Vorgabe dazu, wie diese Heizung aussehen muss, solange die Anforderungen an die maximale Zeit zum Auftauen erfüllt sind. Eine Möglichkeit dazu ist eine elektrische Heizung, die dann nicht nur den Tank, sondern auch die Leitungen und die Fördereinheit beheizt.
Der AdBlue-Tank muss bei Bedarf vom Fahrer nachgefüllt werden. Fahrzeuge müssen so konstruiert sein, dass sie bei leerem AdBlue-Tank nicht mehr fahren. Frühere Versuche, den AdBlue-Tank nur beim Service nachzufüllen, um den Fahrer nicht mit dem Befüllen eines Tanks zu überfordern, waren von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Der Nachweis dazu ist ein wesentlicher Teil dieser Seite. Gesetzlich vorgeschrieben ist, dass der Fahrer bei 2.400 km erstmals informiert wird, dass er AdBlue nachfüllen soll. Die Warnung muss mit der Zeit immer deutlicher werden. Bleibt weniger Reichweite als die typische Reichweite mit einer Dieseltankfüllung, dann wird die Warnung sehr deutlich.
Zum Nachfüllen des AdBlue-Tanks eignen sich Zapfsäulen. Hier gibt es welche für PKW und welche für LKW. Bei LKW-Zapfsäulen ist erstens im Tank ein Magnet erforderlich, der die Zapfsäule freischaltet. Dadurch soll verhindert werden, dass ein unaufmerksamer LKW-Fahrer eine größere Menge AdBlue in den Diesel-Tank füllt. Des Weiteren ist die Betankung an einer LKW-Zapfsäule sehr schnell, für einige PKW zu schnell. Es gibt jedoch PKW, die ausdrücklich vom Hersteller dafür vorgesehen und freigegeben wurden, an einer LKW-Zapfsäule mit AdBlue betankt zu werden, und in denen sowohl der Magnet vorhanden ist, als auch die Geschwindigkeit der Betankung unproblematisch ist.
Dadurch, dass man einem Motor eine höhere Stickoxid-Produktion erlauben kann, wenn man eine Stickoxid-Nachbehandlung z.B. mittels AdBlue einsetzt, ist es im Prinzip möglich, Kraftstoff einzusparen. Oft werden dafür Werte von bis zu 6 Prozent Kraftstoffersparnis angegeben. Diese Aussage halte ich jedoch für gewagt, denn eine solche Aussage macht nur Sinn2, wenn man eine bestimmte Abgasnorm wahlweise ohne oder mit Stickoxid-Nachbehandlung einhalten kann. Das ist jedoch nur bei LKW mit Euro IV, und vielleicht LKW mit Euro V gegeben. Für PKW mit Euro 5 oder gar Euro 6 oder LKW mit Euro VI ist gar kein Vergleich zwischen Fahrzeugen ohne Stickoxid-Nachbehandlung, die die gesetzlichen Abgasgrenzwerte einhalten, und Fahrzeugen mit Stickoxid-Nachbehandlung, die die gesetzlichen Abgasgrenzwerte einhalten, möglich, weil es die Variante ohne Stickoxid-Nachbehandlung, die die gesetzlichen Abgasgrenzwerte einhält, nicht gibt.
Untersuchungen mit VCDS
Im Artikel Analyse mittels VCDS: AdBlue- und AGR-System demonstriere ich anhand von 2 Fahrzeugen aus dem VW-Konzern, welche Möglichkeiten man hat, tiefer in die Funktionsweise der Abgasrückführung, des Partikelfilters, und des AdBlue-System zu schauen. Vor allem beim EA288 evo kann man sehr viel auslesen.
Dort zeige ich unter anderem
- wie ich den AdBlue-Verbrauch eines Euro 6d-Fahrzeugs bei verschiedenen Fahrprofilen ermittelt habe
- wie ich das AdBlue-System und das AGR-System eines Euro 6d-Fahrzeugs bei niedrigen Außentemperaturen untersucht habe
- dass die DPF-Regeneration auch im Stadtverkehr funktioniert
- wie ich an einem Euro 4 - Fahrzeug nach einem Thermofenster gesucht habe
An einigen Stellen zeige ich bereits hier Screenshots von VCDS mit Messwerten zur Illustration meiner Erklärungen und Aussagen.
AdBlue-Verbrauch und -Kosten bei PKW
Im folgenden zeige ich, wie der langfristige AdBlue-Verbrauch anhand der NOx-Produktion im Motor berechnet werden kann. Das notwendige Wissen aus Chemie und Mathematik geht dabei nicht über die 10. Klasse eines Gymnasiums hinaus. Die eigentliche Herausforderung für Motoren- und Katalysatorentwickler besteht darin, sicherzustellen, dass die chemischen Reaktionen tatsächlich stattfinden. Die Abschätzung der erforderlichen langfristigen Dosierung dagegen ist leicht.
Zusammensetzung von AdBlue
AdBlue ist eine Lösung aus [1]:
(NH2)2CO | Harnstoff | 32,5% |
H2O | Wasser | 67,5% |
Die Prozentangaben sind dabei als Masseprozent zu verstehen.
Folgende Massen kann man näherungsweise für die jeweiligen Atome annehmen, wobei u die atomare Masseneinheit ist [4]:
N | Stickstoff | 14u |
H | Wasserstoff | 1u |
O | Sauerstoff | 16u |
C | Kohlenstoff | 12u |
Folgende molare Massen ergeben sich anhand der oben stehenden Atommassen:
NO | Stickstoff-Monoxid | 30g/mol |
NO2 | Stickstoff-Dioxid | 46g/mol |
NH3 | Ammoniak | 17g/mol |
H2O | Wasser | 18g/mol |
(NH2)2CO | Harnstoff | 60g/mol |
Um ein Masseverhältnis von 32,5 zu 67,5 zu erhalten, benötigt man also 124,6g H2O pro 60g (NH2)2CO. Das bedeutet: 1 Mol Harnstoff muss in (124,6/18) = 6,92 Mol Wasser gelöst sein. Wie wir im Folgenden sehen, wird dabei 1 Mol Wasser und 1 Mol Harnstoff umgesetzt, während 5,92 Mol Wasser erhalten bleiben. Daher ist es auch zumindest ungeschickt, von "Harnstoffeinspritzung" zu sprechen, denn nicht nur der Harnstoff, sondern auch das Wasser wird für die chemischen Reaktionen benötigt. Wenn AdBlue eingespritzt wird, sollte man einfach von AdBlue-Einspritzung sprechen.
Die chemischen Reaktionen
AdBlue wird bei ausreichend hoher Abgastemperatur in die heißen Abgase eingespritzt. Wie weiter oben bereits erwähnt, sind hierfür mindestens 180°C erforderlich. Dabei ergibt sich folgende Reaktion, die eigentlich in zwei separaten Schritten erfolgt:
(NH2)2CO + H2O -> 2 NH3 + CO2
Das heißt: aus 184,6g AdBlue gewinnt man 2 Mol Ammoniak (NH3) mit einer Masse von 34g. Man benötigt daher 184,6/34 = 5,43 g AdBlue, um 1 g Ammoniak zu gewinnen. Bei einer Dichte von 1,09 g/cm³ bedeutet das: Man benötigt 4,98 ml AdBlue, also rund 5 ml AdBlue für 1 g Ammoniak. Dazu kommt 1 Mol CO2, also 44 g. Es werden also 24 Prozent der AdBlue-Masse in CO2 umgesetzt. Würde ein Fahrzeug 3,85l AdBlue/1000km verbrauchen, würde sich dadurch der CO2-Ausstoß um 1g/km erhöhen.
Im SCR-Katalysator finden dann folgende Reaktionen statt:
(1) NO + NO2 + 2 NH3 -> 2 N2 + 3 H2O
(2) 4 NO + 4 NH3 +O2 -> 4 N2 + 6 H20
Eine weitere Reaktion, die NO2-SCR, wird in Fahrzeugen vermieden, da sie zur Bildung von Ammoniumnitrat führen kann. Ammonium-Nitrat kann den Katalysator zweitweise deaktivieren, außerdem bildet Ammoniumnitrat dann Lachgas, was wiederum ein sehr starkes Treibhausgas ist.
Die Gleichungen (1) und (2) sagen also: Es wird 1 Mol Stickoxid (NO oder NO2) mittels 1 Mol Ammoniak umgewandelt.
Bereits im Jahr 2002 wurde gezeigt, dass die Gleichung 1 ("Fast SCR") dominiert und auch dominieren muss, um die SCR-Technik sinnvoll in Fahrzeugen verwenden zu können [22]. Ist nicht ausreichend viel NO2 im Abgas, muss ein Oxidationskatalysator einen Teil des NO in NO2 umwandeln, oder man muss einen SCR-Katalysator verwenden, in dem direkt ein Teil des NO in NO2 umgewandelt wird. Da wir aber nur wissen wollen, wie viel NO2-Äquivalent mit einer bestimmten Menge AdBlue umgewandelt wird, und gar nicht nach NO und NO2 unterscheiden müssen, spielt es für die Fragestellung des AdBlue-Verbrauchs keine Rolle, in welchem Maße welche der beiden Reaktionen stattfindet.
Berechnung des umgewandelten NO2-Äquivalents
Wie bereits erwähnt, sieht die EU-Verordnung 692/2008 vor, dass bei Fahrzeugen das NO2-Äquivalent betrachtet wird, d.h. NO wird so berechnet, als wäre es zu NO2 oxidiert worden. Bei dieser Betrachtungsweise wird 1 Mol Stickoxide, egal ob NO oder NO2 und egal ob Fast SCR oder Standard SCR, mittels 1 Mol Ammoniak reduziert. Die Masse von 1 Mol Stickoxiden liegt bei 46 g, die Masse von 1 Mol Ammoniak bei 17 g. Da man für 1 g Ammoniak etwa 5 ml AdBlue benötigt, benötigt man 85 ml AdBlue für 17 g Ammoniak, also 85 ml AdBlue für 46 g Stickoxide.
Man verbraucht also 1 Liter AdBlue pro 540 g NO2-Äquivalent.
Berechnung des langfristigen AdBlue-Verbrauchs bei PKW
Laut den Daten des Umweltbundesamtes können wir davon ausgehen, dass Euro 5 - Fahrzeuge etwa 950 mg NOx/km ausstoßen [8]. Dieser Wert beinhaltet Messungen bei verschiedenen Temperaturen bei normaler Fahrweise, umfasst aber keine besonderen Bedingungen, wie z.B. Anhängerbetrieb. Da die allermeisten Euro 5 - Fahrzeuge über keine Abgasreinigung für NOx verfügen (siehe Abgasrückführung ist keine Abgasreinigung), können wir davon ausgehen, dass sie auch etwa 950 mg NOx/km produzieren. Ausstoßen dürfen sie 180 mg/km.
Um die überschüssigen 770 mg NOx/km zu reduzieren, wären also 770/540 = 1,4l AdBlue/1.000km nötig. Dieser Wert bezieht sich, wie auch die Berechnung oben, auf den Flottendurchschnitt, nicht auf einzelne besonders große, schwere und leistungsfähige Fahrzeuge, auch nicht auf besonders rasante Fahrweise. Man darf daraus nicht schlussfolgern, dass auch SUVs mit über 2 Tonnen damit ausgekommen wären. Dennoch sind die Kosten für AdBlue immer vernachlässigbar gegenüber den Kosten für Dieselkraftstoff.
Nimmt man noch an, dass etwa 10% Ammoniak-Verlust durch Ammoniak-Schlupf oder Ammoniak-Oxidation auftritt, hätten wir noch 490 g NO2-Äquivalent pro Liter AdBlue und kämen auf rund 1,6 l AdBlue pro 1.000 km. Systeme, die eine hohe Umwandlungsrate erzielen sollen, arbeiten mit einer Überdosierung von 5 bis 10 Prozent [37], allerdings geht das nur, wenn das Fahrzeug über einen Ammoniak-Sperrkatalysator, d.h. eine Abgasreinigung für Ammoniak, verfügt. Ohne einen solchen Ammoniak-Sperrkatalysator würde eine Überdosierung zu übermäßigen Ammoniak-Emissionen führen.
Man sieht also schon anhand dieser Berechnung: Die Angabe von 5% ist unhaltbar, denn 1,4l/1.000km sind keine 5%, es sind nicht einmal 3%. Auch die pessimistischer angenommenen 1,6l sind noch keine 3%. Wie weiter oben beschrieben, behaupten Journalisten und andere Fachfremde gelegentlich, dass zukünftige Abgasnormen den AdBlue-Verbrauch weiter erhöhen könnten. Wie man jedoch sieht, entbehrt auch das jeder Grundlage. Der AdBlue-Verbrauch würde nur dann noch deutlich höher steigen, wenn spätere Motoren bei der Verbrennung mehr NOx produzieren würden als Euro 5 - Motoren. Das hätte der Fall sein können, wenn man versucht hätte, Euro 6 - Motoren ohne Abgasrückführung zu bauen. Bei einigen LKW wurde das tatsächlich umgesetzt, bei PKW gibt es das nicht.
Schwankungsbreite innerhalb eines Fahrzeugs
Die obige Berechnung zum Flottendurchschnitt kann nicht auf Fahrzeuge übertragen werden, die oft stark überdurchschnittlicher Last unterliegen. Bei hoher Geschwindigkeit oder im Anhängerbetrieb steigt die Verbrennungstemperatur, so dass die NOx-Produktion im Motor und damit der notwendige AdBlue-Verbrauch stärker als der Diesel-Verbrauch steigen. Hier gibt es Untersuchungen an einem Euro 6d-Fahrzeug aus dem VW-Konzern dazu. Dort zeigt sich zum Beispiel, dass der AdBlue-Verbrauch dieses Fahrzeugs bei 200 km/h auf gerader Strecke 6-7x so hoch ist wie bei einer längeren Fahrt mit 120 km/h, während der Kraftstoffverbrauch nur 2,5x so hoch ist. Bei einem kurzen Test mit noch höherer Last hat sich der Trend fortgesetzt.
Die hohe Schwankungsbreite bei ein und demselben Fahrzeug macht es praktisch unmöglich, den Tank für eine bestimmte Reichweite, zum Beispiel von einem Service zum nächsten, sinnvoll auszulegen. Zu diesem Aspekt komme ich noch weiter unten, insbesondere auch dazu, warum es sich um eine Nebelkerze ohne tatsächliche Bedeutung handelt.
Verbesserte Abgasrückführung
Der Wert von 900-950 mg/km ist der Flottendurchschnitt für Fahrzeuge, so wie sie etwa 2008 bis 2014 verkauft wurden und 2017 in Umlauf waren, und deren Abgasrückführung oft einem engen Thermofenster unterliegt: Im Sommer sind die Werte deutlich niedriger, im Winter deutlich höher. Bereits mit einer Abgasrückführung, die in einem größeren Temperaturbereich arbeitet, wären die NOx-Werte in den Rohabgasen, und damit der durchschnittliche AdBlue-Verbrauch der Fahrzeugflotte, geringer als die berechneten 1,4l-1,6l/1000km. Unabhängig vom Thema der Thermofenster ist die bedeutendste Verbesserung in diesem Bereich jedoch die Einführung der Niederdruck-Abgasrückführung. Die Niederdruck-Abgasrückführung kann im Gegensatz zur Hochdruck-Abgasrückführung dauerhaft verwendet werden, um die Stickoxid-Produktion zu verringern, da sie die Abgase erst hinter dem Partikelfilter entnimmt, und somit nicht mehr verkokt, und auch keine Verkokung verursacht.
Das heißt: der AdBlue-Verbrauch von Fahrzeugen mit Niederdruck-Abgasrückführung ist viel geringer als der von Fahrzeugen ohne Niederdruck-Abgasrückführung. Die obige Abschätzung von 1,4l-1,6l/1000km bezieht sich auf die Flotte der Euro 5 - Fahrzeuge, so wie sie waren. Es gab nur vereinzelt Euro 5 - Fahrzeuge mit Niederdruck-Abgasrückführung, z.B. mit VW EA288-Motor.
Die oben stehende Berechnung des AdBlue-Verbrauchs ist also ein Rückblick, was notwendig gewesen wäre, der aber nicht einfach auf aktuelle Fahrzeuge übertragen werden kann. Die 540 g NOx pro Liter AdBlue sind natürlich übertragbar, die Menge an NOx in den Rohabgasen jedoch nicht.
Einfluss von NOx-Speicherkatalysatoren
Eine Besonderheit stellen Fahrzeuge dar, die sowohl einen NOx-Speicherkatalysator als auch einen SCR-Katalysator haben (z.B. viele BMWs). Bei diesen Fahrzeugen ist es nicht ohne weiteres möglich abzuschätzen, wieviel AdBlue sie verbrauchen oder verbrauchen sollten, da ein unbekannter Anteil des NOx bereits im Speicherkatalysator reduziert wird. Man müsste wissen, wie viele Stickoxide sich nach dem Speicherkatalysator noch im Abgas befinden, um abschätzen zu können, wie viel AdBlue dann noch verbraucht wird oder für eine angemessene weitere Nachbehandlung verbraucht werden müsste. Hierzu wäre es zwingend notwendig, die NOx-Sensorwerte zu erfassen und dann die Stickoxid-Masse zu berechnen.
Das System kann aber auch so programmiert sein, dass der NOx-Speicherkatalysator nur dann verwendet wird, wenn der SCR-Katalysator noch kalt ist. In diesem Fall wäre der AdBlue-Verbrauch nur unwesentlich geringer. Hier kommen wir aber in den Bereich von Mutmaßungen.
Diese gleiche Aussage kann natürlich auf Euro 7 übertragen werden. Wir wissen heute (2023) nicht, ob die Motoren noch einmal weniger NOx produzieren werden als Euro 6d-Motoren. Oder ob Euro 7 - Dieselmotoren generell mit Speicherkatalysator + SCR-System kommen werden. Der AdBlue-Verbrauch könnte sinke, oder auch nicht. Sicher ist aber, dass der AdBlue-Verbrauch nicht nennenswert steigen kann. Das könnte er nur, wenn die Stickoxid-Produktion steigen würde.
Geringerer AdBlue-Verbrauch mit HVO, GtL und co?
Eher nein.
Da der AdBlue-Verbrauch davon abhängt, wie viele Stickoxide bei der Verbrennung entstehen, könnte ein anderer Kraftstoff nur dann den AdBlue-Verbrauch spürbar verringern, wenn der andere Kraftstoff auch geringere NOx-Rohemissionen mit sich bringt. Untersuchungen zu den Rohemissionen von Motoren zeigen jedoch, dass der Einfluss nicht groß sein kann.
Unter [41] werden mehrere solche Untersuchungen beschrieben. Eine Reduktion von bis zu 18% konnte erreicht werden, indem die Strategie zur Kraftstoff-Einspritzung an die Besonderheiten des Kraftstoffs angepasst wurde. Das würde aber voraussetzen, dass ein Motor speziell auf HVO-Kraftstoff abgestimmt wird, und dass der Motor dann nur mit HVO-Kraftstoff betrieben wird, oder dass ein Sensor im Tank ermittelt, welche Art von Kraftstoff genau verwendet wird.
Ohne besondere Abstimmung des Motors auf HVO-Kraftstoff waren die beobachteten Veränderungen vernachlässigbar.
An meinem eigenen Fahrzeug habe ich inzwischen ein paar Datenaufzeichnungen mit HVO100-Kraftstoff gemacht, und kann auch da keinen Effekt sehen.
Kosten für AdBlue
Für diese Betrachtungen rechnen wir mit zwei Verbräuchen:
- den oben berechneten Durchschnittsverbrauch von 1,6l/1000 km (auch wenn es vermutlich nur 1,4l/1000km gewesen wären) für Euro 5 - Fahrzeuge, wenn sie ein AdBlue-System gehabt hätten und dieses funktioniert hätte, wenn wir aber annehmen, dass eine Verringerung der NOx-Produktion im Motor mit der damaligen Technik nicht einfach möglich gewesen wäre, und dass tatsächlich die gesamte Verbesserung mittels AdBlue hätte erreicht werden müssen. Diese Abschätzung ist also sehr pessimistisch und führt zu einer Überschätzung der Kosten.
- den 0,6l/1000km, die ich an einem modernen Fahrzeug mit Euro 6d sehe (siehe unten)
Ein Liter AdBlue kostete an Zapfsäulen in Deutschland lange Zeit rund 0,70€ bis 0,99€ (April 2022: rund 1,50€. AdBlue wird aus Ammoniak hergestellt, und Ammoniak wird aus Erdgas hergestellt...)
Wir haben also:
- Fall 1: Für Euro 5 - Fahrzeuge vor der Erhöhung der Gaspreise: 0,70€ pro Liter und 1,6l/1.000km, das entspricht also 1,12€/1.000km
- Fall 2: Für das moderne Fahrzeug ohne "Sondereffekte" bei den AdBlue-Preisen: etwa 0,70€ und 0,6l/1.000 km, entspricht also 0,42€/1.000km
- Fall 3: Für das moderne Fahrzeug mit "Sondereffekten" bei den AdBlue-Preisen: etwa 1,50€ und 0,6l/1.000 km, entspricht also 0,90€/1.000km
Verbraucht ein Fahrzeug also etwa 5 Liter Diesel pro 100 km und nehmen wir für das Jahr 2010 einen Dieselpreis von 1,21€/l an [24], dann wären zu den 60,50€ pro 1.000 km für Diesel noch weitere 1,12€ pro 1000 km für AdBlue dazugekommen.
Für März 2022 gibt der ADAC einen Durchschnittspreis von 2,14€/l an. Bei einem Verbrauch von 5 Litern Diesel pro 100 km und 0,6 Litern AdBlue pro 1000 km ergeben sich also 107,00€ pro 1.000 km für Diesel und zusätzlich 0,90€ pro 1000 km für AdBlue.
Einige sehen das also so, dass eine Erhöhung der Kosten von 60,50€ auf 61,69€ pro 1.000 km, oder gar eine Erhöhung von 107,00€ auf 107,90€, unbezahlbar wäre. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass das nur die Kraftstoff- und AdBlue-Kosten sind. Betrachtet man die Gesamtkosten eines Fahrzeugs, dann liegt man oberhalb von 300€/1000km. Würde ein Fahrzeug genau 300€/1.000km kosten, dann lägen wir nun bei bis zu 301,12€/1000km. Der ADAC geht selbst für Kleinwagen von deutlich höheren Kosten als 300€/1.000km aus, betrachtet dabei aber Neuwagen inklusive ihres hohen Wertverlustes.
Quellen für AdBlue kann man zum Beispiel unter [11] finden (die früher verlinkte Seite findadblue.com existiert in ihrer früheren Form nicht mehr), man kann dort auch gezielt nach PKW-Zapfsäulen suchen.
Davon abgesehen werden einige PKW-AdBlue-Tanks so konstruiert, dass auch LKW-Zapfsäulen genutzt werden können.
PKW sind keine geschrumpften LKW
Ein PKW-Diesel-Motor mit 2 Litern Hubraum und 150 PS, der ein Fahrzeug von 1,5 Tonnen antreibt, ist kein geschrumpfter LKW-Diesel-Motor mit 15 Litern Hubraum und 500 PS, der ein Fahrzeug von 40 Tonnen antreibt.
Die Behauptungen, nach denen ein Diesel-PKW angeblich 5% des Dieselverbrauchs in AdBlue verbrauchen müsste, wurde nicht durch Berechnung (siehe oben) hergeleitet. Es wurde einfach der für LKW angenommene Durchschnitt verwendet. Die Übertragung von LKW auf PKW war jedoch nicht nur falsch, sondern wäre auch im Jahr 2016 oder 2017 für jeden Experten sofort als Unsinn zu erkennen gewesen.
Wie in Abgasrückführung ist keine Abgasreinigung beschrieben, können Fahrzeuge mit Niederdruck-Abgasrückführung deutlich niedrigere Werte für die NOx-Produktion erreichen als Fahrzeuge, die nur eine Hochdruck-Abgasrückführung haben. Daraus folgt unmittelbar, dass Fahrzeuge mit Niederdruck-Abgasrückführung deutlich weniger AdBlue verbrauchen müssen als Fahrzeuge ohne Niederdruck-Abgasrückführung. Allein innerhalb des VW-Konzerns gab es nun AdBlue-Systeme bei Fahrzeugen mit Hochdruck-Abgasrückführung (EA189, EA897), Niederdruck-Abgasrückführung (EA288 Euro 5) und mit Mehrwege-Abgasrückführung (EA288 ab Euro 6b). Später kamen weitere hinzu (z.B. EA288 evo mit Euro 6d, oder auch EA897 ab Euro 6d-TEMP), das war jedoch erst, nachdem die falschen Aussagen zum AdBlue-Verbrauch verbreitet wurden. Mercedes hat die Mehrwege-Abgasrückführung beim OM 651 ab 2012 eingeführt.
Es gibt LKW-Motoren, die Euro VI ohne AGR erreichen, z.B. von Scania [21] und Iveco [40]. Insbesondere die Quelle von Scania stammt von 2014, und hätte einem Experten im Jahr 2016 oder 2017, als die falschen Aussagen zum AdBlue-Verbrauch wie in [39] und [42] verbreitet wurden, bekannt sein müssen. Scania gibt für seine Euro VI-Motoren ohne AGR einen AdBlue-Verbrauch von 6% an, für seine Motoren mit AGR nur 3%. Journalisten und "Experten" haben also argumentiert, dass PKW verkleinerte LKW seien, und dann den AdBlue-Verbrauch von LKW ohne Abgasrückführung auf PKW mit Abgasrückführung übertragen, sogar auf PKW mit Niederdruck-Abgasrückführung. Als ob das nicht bereits schlimm genug wäre, hat der Experte, die sich in [39] geäußert hat, sogar behauptet, dass sich LKW- und PKW-Diesel-Motoren nicht wesentlich unterscheiden würden, obwohl bei PKW zu diesem Zeitpunkt die Niederdruck-Abgasrückführung bereits Stand der Technik war, während LKW noch keine solche Niederdruck-Abgasrückführung kannten. Da die Niederdruck-Abgasrückführung die eigentliche Lösung für das Problem der Verkokung der Abgasrückführung darstellt, ermöglicht überhaupt erst die Niederdruck-Abgasrückführung eine dauerhafte Verringerung der Stickoxid-Produktion im Motor - und somit einen viel niedrigeren AdBlue-Verbrauch als bei LKW.
Es gibt auch LKW, die bei normaler Autobahnfahrt keine Abgasrückführung einsetzen, auch wenn sie über eine verfügen. Deren AdBlue-Verbrauch ist dann höher als die bei Scania genannten 3%, und entspricht eher dem eines Fahrzeugs ohne Abgasrückführung. Jetzt könnte man theoretisch argumentieren, dass das ein sinnvolles Konzept ist, und dass Experten möglicherweise davon ausgegangen sind, dass man diese Lösung bei PKW auch wählen müsste. Aber auch auf diese Weise kann die falsche Behauptung, PKW müssten 5% AdBlue verbrauchen, nicht gerettet werden. Auch hier sind wir wieder bei der Niederdruck-Abgasrückführung, denn die Niederdruck-Abgasrückführung beim PKW wurde unter anderem mit dem Ziel entwickelt, dass sie nicht mehr verkokt, und dass sie dauerhaft eingesetzt werden kann. Eine solche Umsetzung wäre allenfalls für Fahrzeuge denkbar, die nur eine Hochdruck-Abgasrückführung haben, nicht aber für Fahrzeuge mit Niederdruck-Abgasrückführung. Aber selbst dann, wenn man annimmt, dass das Ziel tatsächlich gewesen wäre, ohne Abgasrückführung auszukommen, obwohl es dafür bei PKW gar keinen Grund gibt, gibt es hohe Hürden für eine solche Konstruktion, zu denen ich weiter unten noch beim Thema der Umwandlungsrate komme.
Selbst wenn wir nicht das Thema der verschiedenen Abgasrückführungen hätten, hätte der Ansatz, den AdBlue-Verbrauch von LKW auf PKW zu übertragen, keinen Sinn gemacht. Das Verhältnis zwischen AdBlue- zu Dieselverbrauch ist stark abhängig von der Motorlast. LKW fahren oft beladen, PKW dagegen fahren oft zehntausende Kilometer mit geringer Beladung, manche werden dann aber im Urlaub als Zugmaschine für einen Wohnwagen verwendet, andere wiederum nicht.
Wer viel im Gebirge fährt, z.B. weil er dort pendelt, hat abwechseln hohe Last und keine Last. Dies führt zu einem deutlich höheren AdBlue-Verbrauch als niedrige konstante Last auf flacher Strecke.
Der Versuch so mancher Experten, den AdBlue-Verbrauch von LKW auf den von PKW zu übertragen, entbehrt also jeder Grundlage, und das in vielen verschiedenen Aspekten. Schon die Ausgangsbehauptung, dass sich LKW- und PKW-Motoren nicht wesentlich unterscheiden würden, ist falsch.
Kurzfristige AdBlue-Dosierung
Fahrzeuge können den tatsächlichen Stickoxid-Gehalt der Rohabgase schätzen oder messen. Im ersten Fall würde man von einer Dosierung basierend auf einem Kennfeld sprechen. Dann würde ein Stickoxid-Sensor den Stickoxid-Gehalt der Abgase messen. Für Euro IV-LKWs aus dem Jahr 2005 war das eine völlig normale Lösung. Für Fahrzeuge, die die Euro 6-Grenzwerte im Realbetrieb einhalten sollen, ist eine kennfeldbasierte Dosierung im Allgemeinen aber nicht gut genug. Dann wird ein Stickoxid-Sensor verwendet, der den Stickoxid-Gehalt der Rohabgase misst. Die typische Skalierung hierfür ist ppm (parts per million = Teile pro Million), und zwar bezogen auf das Volumen. Das Motorsteuergerät muss dann aus dem Stickoxid-Anteil der Rohabgase und dem Abgasmassenstrom berechnen, wie viel Ammoniak benötigt wird.
Abhängig davon, wie viel Ammoniak aktuell benötigt wird, wie viel Ammoniak im SCR-Katalysator gespeichert ist, und wie viel dort gespeichert sein soll, muss die kurzfristige AdBlue-Dosierung berechnet werden. Ebenfalls muss dabei die maximal erreichbare Umwandlungsrate berücksichtigt werden.
Eine etwas detailliertere Erklärung, wie man aus den NOx-Sensorwerten und dem Abgasmassenstrom (Abgase in kg/h) unter Verwendung der thermischen Zustandsgleichung idealer Gase auf NOx in mg/km kommt, findet sich in Analyse mittels VCDS: AdBlue- und AGR-System. Die Kurzfassung: Ist ṁ(t) der Abgasmassenstrom zum Zeitpunkt t und φNOx(t) der Messwert des NOx-Sensors, dann ist der NOx-Massenstrom gleich 46/29 * ṁ(t) * φNOx(t). Die Stickoxid-Masse, die zwischen den Zeitpunkten t1 und t2 entsteht, ist somit mNOx = 46/29 * ∫t1t2 ṁ(t) * φNOx(t) dt. Wie weiter oben gezeigt, benötigt man 1 Liter AdBlue für eine Stickoxid-Masse von 540 Gramm, ggf. zuzüglich einer geringen Überdosierung von einigen Prozent.
Fahrzeuge mit AdBlue verwenden mindestens einen NOx-Sensor. Falls es nur einen NOx-Sensor gibt, gilt:
- misst er NOx vor SCR, hätte man daraus auf den etwa notwendigen AdBlue-Verbrauch schließen können
- misst er NOx nach SCR, hätte man daraus zumindest näherungsweise auf die gesparte Menge an AdBlue schließen können
Abgasmessungen mit einem teuren PEMS-Gerät wären zumindest bei Fahrzeugen, bei denen sich NOx-Sensoren auslesen lassen, gar nicht notwendig gewesen, um einen starken Verdacht zu entwickeln, falls diese den AdBlue-Vorrat von einem Service zum nächsten strecken. Die PEMS-Messung wäre nur noch zur Bestätigung des Verdachts notwendig gewesen. Um darauf zu kommen, hätten sich aber Experten mit dem Thema beschäftigen müssen. Statt Experten hat man lieber Personen befragt, die meinten, PKW seien verkleinerte LKW und müssten daher 5% AdBlue verbrauchen. Anders als die Theorie, dass PKW verkleinerte LKW sind, wäre der Ansatz über die fahrzeugeigenen Sensoren, die chemischen Reaktionen, und etwas Thermodynamik aber gut begründet gewesen.
Umwandlungsrate und NOx-Emissionen
Weiter oben habe ich auf Euro VI-Motoren von Scania verwiesen, die keine Abgasrückführung einsetzen, und die etwa 6% des verbrauchten Dieselkraftstoffs in AdBlue verbrauchen. Mit diesen Angaben lässt sich die notwendige Umwandlungsrate recht gut abschätzen.
LKW-Motoren haben einen Wirkungsgrad von gut 40 Prozent. Ein Liter Dieselkraftstoff enthält eine Energie von 10 kWh, woraus der Motor dann etwa 4 kWh nutzbare Energie gewinnt. Für Euro VI liegt der zulässige NOx-Ausstoß bei 0,4g/kWh, d.h. ein solcher LKW darf, grob gerundet, 1,6 g Stickoxide pro 1 Liter Kraftstoff ausstoßen.
Der AdBlue-Verbrauch von 6% bei solchen LKW bedeutet nun, dass für jeden Liter Dieselkraftstoff noch 60 Milliliter AdBlue verbraucht werden. Wenn wir von einer leichten Überdosierung ausgehen, so dass 1 Liter AdBlue für 500 Gramm Stickoxide eingesetzt werden, dann entsprechen die genannten 60 Milliliter etwa 30 Gramm Stickoxide. Das heißt: Für 30 Gramm Stickoxide vor SCR darf nur 1,6 Gramm nach SCR ausgestoßen werden. Die Umwandlungsrate muss also bei mindestens 95% liegen, um überhaupt gerade so die gesetzlichen Grenzwerte einhalten zu können. Wäre die Umwandlungsrate schlechter als 95%, dann könnte das Fahrzeug nicht gleichzeitig einen AdBlue-Verbrauch von 6% der Kraftstoffmenge haben, und dann 0,4g NOx/kWh einhalten. Das zeigt auch, warum die Mehrheit der LKW mit Euro VI ein AGR-System und ein SCR-System kombiniert. Denn eine Umwandlungsrate von mindestens 95 Prozent als Durchschnitt aus günstigen und ungünstigen Bedingungen ist technisch sehr anspruchsvoll. Iveco selbst gibt 97 Prozent für deren Euro VI-LKW ohne AGR an [40].
Ähnlich kann man für PKW argumentieren. Wäre der Wert von 5% tatsächlich korrekt gewesen, dann hätte der Verbrauch bei einem Dieselverbrauch von 6l/100km bei 3l/1000km liegen müssen. Dann hätte NOx vor SCR bei mindestens 1.500 mg/km bis 1.600 mg/km liegen müssen. Dann wäre eine Umwandlungsrate von 95% nötig, um überhaupt den gesetzlichen Grenzwert für Euro 6-PKW von 80 mg/km einzuhalten. Pressemeldungen, laut denen einerseits der AdBlue-Verbrauch bei mindestens 5% liegen muss, und laut denen die Umwandlungsrate bei "bis zu 90%" liegt, wie z.B. [39], sind insofern als kompletter Unsinn zu werten: Ein Fahrzeug, dessen AdBlue-Verbrauch bei 5% des Kraftstoffverbrauchs liegt, aber das nur 90% Umwandlungsrate erreicht, würde immer noch 150 mg/km ausstoßen.
Ein weiteres Hindernis stellt noch der OBD-Schwellwert dar: Euro 6-Diesel-PKW ab 2016 müssen einen OBD-Schwellwert von 140 mg NOx/km einhalten (vorher 240 mg/km oder 180 mg/km). Das heißt: überschreiten die Emissionen unter Bedingungen, unter denen das Fahrzeug 80 mg/km einhalten müsste, sogar 140 mg/km, ist das Abgassystem defekt und muss einen Fehler melden. Geht man von Rohemissionen von 1.500 mg/km aus, wäre das AdBlue-System bereits defekt, wenn es nur noch 90 Prozent Umwandlungsrate erreicht. Die Herausforderung besteht hierbei darin, zuverlässig Fehler zu erkennen, aber keine Fehlalarme auszulösen. Allein die dafür erforderliche Genauigkeit von Sensoren ist ein erhebliches Hindernis, insbesondere, da auch mal ein Sensor defekt sein kann. Hätte der Autor von [39] seine Thesen nicht 2017, sondern 2007 geäußert, hätte man das als Projektvorschlag verstehen können: er schlägt vor, die verbleibenden 6 Jahre bis zur Einführung von Euro 6 dafür zu nutzen, so etwas zu entwickeln. Im Jahr 2017 dagegen sind seine Aussagen als kompletter Unsinn zu werten. Im Jahr 2017 hatte sich die Niederdruck-Abgasrückführung als Möglichkeit zur Verringerung der Stickoxid-Produktion bereits bewährt. Produziert ein Fahrzeug zum Beispiel nur etwa 500 mg/km, was zu einem AdBlue-Verbrauch von 0,9-1,0l/1.000 km führt, dann reicht eine Umwandlungsrate von 72 Prozent, um den OBD-Schwellwert einzuhalten, d.h. erst wenn dieser Wert unterschritten wird, muss ein Fehler angezeigt werden. Eine Verschlechterung auf 72 Prozent ist sehr viel leichter zuverlässig zu erkennen als eine Verschlechterung auf 90 Prozent.
Fazit zum AdBlue-Verbrauch
Wie oben gezeigt, hängt der AdBlue-Verbrauch davon ab, wie viele Stickoxide im SCR-Katalysator reduziert werden müssen. Die Reaktionsgleichungen waren bereits 2002 bekannt. Wahrscheinlich waren sie noch deutlich früher bekannt, dafür habe ich aber keine Quellen. Dass die Menge entstehender Stickoxide von der Verbrennungstemperatur abhängt ist noch viel länger bekannt. Ein Experte kann folglich schon 2002 nicht mehr geglaubt haben, dass es ein festes Verhältnis zwischen Ammoniak-Verbrauch und Kraftstoffverbrauch geben kann. Da aus der gleichen Menge AdBlue immer die gleiche Menge Ammoniak gewonnen wird (siehe oben, 5 ml AdBlue ergeben 1 g Ammoniak), kann ein echter Experte bereits 2002 nicht mehr geglaubt haben, dass es ein festes Verhältnis zwischen AdBlue- und Kraftstoffverbrauch, welches sowohl bei niedriger als auch bei hoher Last gilt, geben kann. Zwar wurde AdBlue erst 2005 offiziell in einer DIN spezifiziert, der Inhalt einer DIN kommt aber nicht plötzlich und überraschend, sondern man einigt sich vorher auf den wesentlichen Inhalt.
Da die falsche Behauptung, Diesel-PKW müssten 5% des Kraftstoffverbrauchs in AdBlue verbrauchen, von "Experten" stammte, stellt sich noch die Frage, wie so etwas zustande kommen kann. Hier kann ich nur vermuten:
- Es wurden viele Experten befragt, so lange, bis einer zufällig die gewünschte klickbringende Antwort gibt
- Experten wurde vorgegeben, was sie sinngemäß zu sagen haben, falls sie namentlich erwähnt werden wollen, und manche haben mitgespielt
- Es wurden zwar Experten befragt, aber kein echter Experte wollte sich die Zeit nehmen, um sich zu Schulwissen in Chemie, also zum Beispiel zum Rechnen mit Stoffmengen, zu äußern
Sollten die befragten Personen tatsächlich geglaubt haben, der AdBlue-Verbrauch müsse bei 5% liegen, dann ist das Verb "glauben" bereits das erste Problem. Chemische Reaktionen werden nicht geglaubt. Man rechnet mit ihnen. Die Fragestellung, wie viel AdBlue PKW verbrauchen müssen, war eine Rechenaufgabe. Es war keine Schätzaufgabe, keine Glaubaufgabe, und auch keine Meinaufgabe, sondern eine Rechenaufgabe. Der Versuch, eine solche Rechenaufgabe durch Glauben und Meinen zu lösen, gehört ins Reich des Films "Idiocracy".
Was auch immer die Ursache dafür war, dass sich "Experten" derart blamiert haben: Der Wert einer "Expertenaussage" wurde dadurch nachhaltig geschädigt. Offensichtlich ist die Einstufung irgendwelcher Personen als "Experte" nicht viel wert.
Größe des AdBlue-Tanks
In diesem Abschnitt zeige ich:
- AdBlue-Tanks, die von einem Service zum nächsten reichen, sind in Europa nicht nötig und waren in Europa nie nötig
- AdBlue-Tanks, die von einem Service zum nächsten reichen, sind nicht nur nicht nötig, sondern wären sogar eine besonders dumme Lösung, und taugen nur für Märkte, in denen das gesetzlich so vorgeschrieben ist
Es wurde immer wieder behauptet, dass die Größe des AdBlue-Tanks für die Wirksamkeit der Abgasreinigung bedeutsam ist, zum Beispiel unter [42]. Sogar der Artikel über AdBlue auf Wikipedia war so manipuliert, dass dort behauptet wurde, dass mit den kleinen Tanks die Abgasreinigung "nur kompromittiert möglich" gewesen sei [25]. Dieses Narrativ wurde von Journalisten frei erfunden. Das ist so, als würde man behaupten, dass mit einem kleineren Kraftstofftank nicht die volle Motorleistung erreichbar sei, weil man sonst nicht die vom Hersteller angegebene Reichweite erreiche. Um dem Unsinn mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, wurde einfach behauptet, eine AdBlue-Tank-Füllung hätte von einem Service bis zum nächsten reichen müssen.
AdBlue-Nachfüllmenge laut Kombi-Instrument |
Warnlampe während der Fahrt bei AdBlue-Füllstand unter 1.000 km |
Betankung meines PKW mit AdBlue an einer PKW-Zapfsäule |
... und an einer LKW-Zapfsäule |
Das ganze hat mehrere Unterthemen:
- Wer es schafft, ohne die Hilfe einer Werkstatt Kraftstoff oder Scheibenwaschwasser nachzufüllen, schafft es auch, AdBlue nachzufüllen, vor allem, wenn der Fahrzeughersteller das Fahrzeug korrekt konstruiert bzw. diesen Vorgang zumindest nicht absichtlich verhindert oder verbietet. Wer keine Zapfsäule in der Nähe hat, kann einen 10-Liter-Kanister einfüllen, wenn das Fahrzeug eine Nachfüllmenge von 10 Litern erlaubt. Man sollte hier einfach das machen, was das Fahrzeug verlangt.
- Der AdBlue-Verbrauch ist, wie bereits erwähnt, sehr stark lastabhängig: Im Anhängerbetrieb steigt die NOx-Produktion im Motor, und damit der AdBlue-Verbrauch viel stärker als der Diesel-Verbrauch. Das gleiche gilt für Fahrten mit hoher Geschwindigkeit. Ich zeige unten, dass ein ausreichend großer Tank, um Nachfüllungen zwischen den Service-Intervallen zu vermeiden, aus anderen Aspekten heraus zu groß ist, und dass damit der Ansatz, AdBlue auch in europäischen Fahrzeugen nur beim Service nachzufüllen, vom ersten Tag an falsch war.
- Die "rechtlichen Gründe" existieren in Europa nicht. Sie sind frei erfunden.
- Kann ein Fahrer schlicht vergessen, AdBlue nachzufüllen?
Eigentlich ist es zunächst einmal sehr einfach: Ist der AdBlue-Tank leer, muss ihn jemand nachfüllen. Genaugenommen muss ihn jemand vorher nachfüllen, da der Motor nicht mehr startet, wenn der AdBlue-Tank leer ist1. Dazu noch folgender Gedankengang: Füllt man den Tank für Scheibenwaschflüssigkeit nicht rechtzeitig nach, verschmiert der Scheibenwischer Schmutz auf der Windschutzscheibe. Auch den Benzin- oder Diesel-Tank muss man nachfüllen, bevor er leer ist, sonst geht der Motor sogar während der Fahrt aus5. Man kann also festhalten: Fahrer müssen schon länger, und nicht erst seit der Einführung von AdBlue, die Fähigkeit haben, Tanks rechtzeitig nachzufüllen.
Bisher konnte niemand plausibel erklären, warum das Nachfüllen des AdBlue-Tanks schwieriger ist als das Nachfüllen des Kraftstofftanks oder gar das Nachfüllen des Tanks für Scheibenwaschwasser. Schwierig ist es allenfalls bei Fahrzeugen, bei denen der Hersteller es absichtlich so baut, dass es schwierig ist oder Spezialausrüstung erfordert. Zapfsäulen wie die hier abgebildete sind übrigens technisch nicht besonders kompliziert. Hätten die Fahrzeughersteller von Anfang an eine Betankung durch den Fahrer vorgesehen, anstatt Fahrer mit zusätzlichen Arbeitskosten beim Service belasten zu wollen, hätte man solche Zapfsäulen auch mit der Einführung von Euro 5 - Fahrzeugen normieren und aufbauen können. Dann wäre das Netz solcher Tankstellen jetzt auch dichter.
AdBlue-Tanks, die von einem Service zum nächsten reichen, sind also, wie in den Abbildungen erkennbar, offensichtlich nicht nötig. Betrachten wir also als nächstes die Frage, ob das zwar nicht notwendig, aber vielleicht trotzdem möglich und sinnvoll gewesen wäre, oder ob dadurch eigentlich fast nur Nachteile entstehen würden.
Aus dem AdBlue-Verbrauch, der nötig wäre, um nahezu alle Stickoxide aus den Abgasen zu reduzieren (siehe oben, es ist 1 Liter pro 540g NO2-Äquivalent), und der versprochenen Reichweite kann man natürlich die notwendige Tankgröße berechnen, wenn man die Menge der produzierten Stickoxide für verschiedene Fahrprofile kennt. Ebenso könnte man aus der tatsächlichen Tankgröße die Reichweite berechnen. Aus der tatsächlichen Datenlage (fast alle Euro 6b-Diesel, auch mit SCR, stoßen zu viele Stickoxide aus) hätte man also folgende Schlussfolgerungen ziehen können:
- Die Tanks sind viel zu klein
- Die versprochene Reichweite pro Tankfüllung war nicht haltbar
- Die Motoren produzieren bei der Verbrennung von Kraftstoff zu viele Stickoxide
Auf die Variante c) kommt man ohnehin nur, wenn man weiß, dass die benötigte Menge an AdBlue davon abhängt, wie viele Stickoxide sich im Rohabgas befinden. Dieses Wissen hätten Journalisten leicht von Experten bekommen können, und in Einzelfällen haben sie sogar, die breite Masse aber hat das nicht. Von dieser Seite her ist also zumindest nachvollziehbar, dass Journalisten nicht auf c) gekommen sind. Dass Journalisten aber einfach a) gewählt haben, ohne b) in Betracht zu ziehen, gehört in die Kategorie "jumping to conclusions is not excercice" bzw. wirft die Frage auf, ob solche Autoren den Scheibenwaschwassertank ihres Autos auffüllen können oder nicht.
Natürlich ist die einfachste Lösung b): Man hätte Kunden einfach sagen können, dass sie ab und zu AdBlue tanken müssen. Diese Variante ist ausdrücklich in der Verordnung 692/2008 [23] aus dem Jahr 2008, Anhang XVI Punkt 9.3 vorgesehen. Behauptungen, es sei rechtlich nicht möglich gewesen, Fahrer selbst AdBlue in den AdBlue-Tank füllen zu lassen, sind zumindest für die EU frei erfunden:
In den Anweisungen ist anzugeben, ob ein selbstverbrauchendes Reagens vom Fahrzeugbetreiber zwischen den planmäßigen Wartungen nachgefüllt werden muss.
Die Bestimmungen dazu, dass eine Falschbetankung erkannt werden muss, und dass das AdBlue-System seine eigene Funktionsfähigkeit überwachen muss, gelten sowieso, egal ob der Fahrer selbst AdBlue nachfüllen soll oder nicht. Auch die Aussage, dass AdBlue die Augen reize etc, hilft Autoren, die die Darstellung zu kleiner AdBlue-Tanks weiterhin verteidigen wollen, nicht: Benzin und Diesel sind Gefahrstoffe, und beide dürfen seit Jahrzehnten durch den Fahrer nachgefüllt werden. Auch Scheibenwaschmittel sollte man nicht in die Augen bekommen und nicht trinken. Davon abgesehen ist AdBlue ohnehin kein Gefahrstoff im Sinne der 1272/2008.
Eine Betankung mit AdBlue durch den Fahrer hätte also von Anfang an erlaubt sein können, wenn die Fahrzeughersteller das nicht absichtlich hätten verhindern wollen. Offen ist an dieser Stelle noch, ob größere Tanks eine von mehreren möglichen Lösungen gewesen wären, oder ob größere Tanks sogar schädlich und damit eine falsche Scheinlösung gewesen wären. Falls es eine falsche Scheinlösung ist, ist noch zu klären, ob das offensichtlich für jeden Autor leicht erkennbar gewesen wäre, oder ob es sich um einen nachvollziehbaren Irrtum handelt.
Es zeigt sich aber: Deutlich größere Tanks wären offensichtlich eine falsche Scheinlösung, weswegen keine seriöse Quelle größere Tanks als Lösung in Betracht gezogen hat:
Kosten | In diesem anekdotischen Bericht [26] von 2012 wurden einem Audi-Fahrer 125€ (einhundertfünfundzwangzig Euro) für das Nachfüllen von 22 Liter AdBlue berechnet, davon 62€ Material und 63€ Arbeitsaufwand, also 5,68€/l. Normalerweise wären diese 125€ in einer Service-Pauschale enthalten gewesen, und der Fahrer hätte gar nicht bemerkt, dass er für AdBlue mehr als das 5- bis 10fache des tatsächlichen Materialpreises bezahlt. Im Jahr 2023 spricht ein anderer anekdotischer Bericht von 90€ für 10 Liter [38], also 9€/l. |
Fahrzeuggewicht | AdBlue hat eine Dichte von 1,09kg pro Liter, dazu kommt die Masse des Tanks. Der Vorschlag von Journalisten, das Fahrzeug um 50 bis 100 kg schwerer zu machen, nur weil sie es nicht schaffen, eine AdBlue-Zapfpistole in einen AdBlue-Tank zu halten, ist einfach dumm. |
Heizleistung | Ein bei -15°C durchgefrorener AdBlue-Tank muss nach 20 Minuten soweit aufgetaut sein, dass AdBlue verfügbar ist (Verordnung 692/2008 [23], Anhang XVI, Punkt 10). Je größer der Tank, desto größer die erforderliche Heizleistung. Alternativ wäre eine Konstruktion aus zwei Kammern nötig, wobei eine kleine Kammer relativ schnell auftaut. |
Stark schwankender Verbrauch und Haltbarkeit |
Wie weiter oben beschrieben, ist die Schwankungsbreite des AdBlue-Verbrauchs auch innerhalb ein und desselben Fahrzeugs sehr groß. Detailliertere Untersuchungen dazu gibt es hier. Die kurze Zusammenfassung: Eine AdBlue-Menge, die bei meinem Auto unter Extrembedingungen für 15.000 km reicht, würde bei sparsamer Fahrweise für 100.000 km reichen. Das Service-Intervall liegt variabel bei 15.000 bis 30.000 km. Škoda gibt derzeit z.B. an, dass der Inhalt eines Tanks innerhalb von 4 Jahren verbraucht werden muss [18] (Seite 280). Die Haltbarkeit hängt aber von der Lagerungstemperatur ab, wobei höhere Temperaturen schlechter sind. Man kann also bei Laternenparkern in Südeuropa von einer kürzeren Haltbarkeit ausgehen. Bei +35°C wird eine Haltbarkeit von 6 Monaten angegeben [20]. |
"Steinschlag" |
War ein AdBlue-Tank durchgefroren, ist dann bereits ein Teil aufgetaut, und macht der Fahrer eine Vollbremsung, dann stößt ein großer Brocken gefrorenes AdBlue mit hoher Geschwindigkeit gegen die Wand des Tanks, oder gar gegen den Sensor im Tank. Große Tanks und deren Sensoren müssen also sehr robust gebaut sein. |
Das heißt also: Ein AdBlue-Tank, der auch unter ungünstigen Bedingungen von einem Service zum nächsten reicht, wäre so groß, dass das Fahrzeug erstens unsinnig schwer wird, und dass zweitens der Tankinhalt bei vielen Fahrern überaltern würde. Man müsste also den Tank beim Service ablassen, mit dem Ergebnis, dass man mindestens 5€/l AdBlue bezahlt, damit beim nächsten Service ein guter Teil des AdBlues, für das man 5€/l bezahlt hat, wieder abgelassen und entsorgt wird. Konkret verbraucht mein eigenes Fahrzeug ca. 0,5 bis 0,6l/1.000km (siehe Einleitung), ich habe jedoch bei zügiger Fahrweise auch schon einen Durchschnitt von 1,9l/1.000 km auf eine Strecke von 700 km erreicht. Bei einem Service- und Ölwechselintervall von 30.000 km heißt das: Autoren, die auf einen größeren AdBlue-Tank bestehen, um nicht selbst eine AdBlue-Zapfpistole benutzen zu müssen, verlangen einen AdBlue-Tank von mindestens 60 Litern, der beim Service für mindestens 300€ gefüllt wird. Beim nächsten Service werden dann 0 bis 45 Liter abgelassen, und erneut für mindestens 300€ befüllt. Andere Fahrer, d.h. solche, die eine AdBlue-Zapfpistole bedienen können, zahlen dagegen bei 0,6l/1.000 km etwa 18€ bis 27€ für 30.000 km, bei 2l/1.000 km 60€ bis 90€ für 30.000 km.
Damit ist gezeigt, dass es technisch ausgeschlossen ist, das Nachfüllen des AdBlue-Tanks auf den Service zu begrenzen, ohne massive Nachteile für den Kunden zu erzeugen. Wer weiterhin darauf besteht, dass es in Europa zu kleine AdBlue-Tanks gab, der sagen damit, dass es besser gewesen wäre, 5€/l AdBlue zu bezahlen, und dann bei jedem Service einen Teil davon wieder abzulassen, als selbst für 0,50€/l ab und zu einen kleineren Tank nachzufüllen und nichts abzulassen. Selbst ohne das Argument der möglichen Überalterung von AdBlue wird niemand erklären können, warum es besser ist, 125€ für 22 Liter AdBlue zu bezahlen, anstatt einfach selbst ab und zu AdBlue in den AdBlue-Tank zu füllen.
Bleibt noch die letzte Frage: Kann ein Fahrer einfach vergessen, AdBlue nachzufüllen, und dadurch dann liegen bleiben? Nur, wenn er sowohl mit den Ohren als auch mit den Augen ein Problem hat. Ersteres könnte noch sein, letzteres wäre im Straßenverkehr jedoch gefährlich. Mein Auto hat hier drei Warnstufen:
- bei 2.400 km Restreichweite erscheint zunächst nur in der App der unauffällige Hinweis, wenn man nachschaut
- bei 2.000 km ertönt ein Hinweiston. Bei jedem Einschalten der Zündung ertönt der Ton erneut, und es wird ein Hinweis angezeigt.
- bei 1.000 km ertönt ein gefährlich klingender Warnton. Bei jedem Einschalten der Zündung ertönt der Ton erneut, und es wird ein Hinweis angezeigt.
Hier das Verhalten beim Einschalten der Zündung, wenn mein Fahrzeug weniger als 1.000 km Restreichweite für AdBlue hat. Würde man den Motor direkt starten, würden die gleichen Meldungen in der gleichen Reihenfolge durchlaufen.:
Fazit zur Diskussion um die Tankgröße
Der Vorschlag, AdBlue-Tanks so groß zu machen, dass sie von einem Service zum nächsten reichen, wurde von keiner seriösen Quelle unterstützt oder aufgegriffen, weil es schlicht Unfug ist. Es ist viel teurer, das Fahrzeug wird deutlich schwerer, und es müsste in vielen Fällen bei jedem Service das verbleibende AdBlue abgelassen werden. Auch die Aussage des ADAC, dass der AdBlue-Tank so ausgelegt sein sollte, dass er bei normalem Fahrprofil (das ist vermutlich so gemeint, dass häufiger Anhängerbetrieb kein normales Fahrprofil ist) nur beim Service befüllt wird, halte ich für nicht wesentlich besser, da hier immer noch mindestens 5€ pro Liter anfallen, auch wenn dann zumindest das regelmäßige Ablassen großer Mengen entfällt.
Die einzige wirklich sinnvolle Lösung ist die, dass der AdBlue-Tank in den Zuständigkeitsbereich des Fahrers fällt und beim Service nicht befüllt wird, es sei denn, der Kunde wünscht ausdrücklich eine Befüllung. Der Kraftstofftank wird doch beim Service auch nicht unaufgefordert befüllt...?
Erkennung von Fehlfunktionen
Im einfachsten Fall gibt es einen NOx-Sensor, der NOx nach SCR misst. Sind die Werte zu hoch, dann stimmt etwas nicht. Um das Problem reparieren zu können, muss man jedoch herausfinden können, was genau nicht stimmt. Das Vorgehen unterscheidet sich je nach genauer Funktionsweise:
- Es gibt nur einen einzigen NOx-Sensor, und der misst NOx nach SCR. Dagegen wird NOx vor SCR nur geschätzt: Hier kann zwar leicht erkannt werden, dass es eine Fehlfunktion gibt, sie kann jedoch nicht leicht lokalisiert werden. Es könnte sogar am NOx-Sensor selbst liegen. So gab es berichte von Fahrern älterer Fahrzeuge, bei denen das SCR-System einen zu geringen Wirkungsgrad gemeldet hat. Der Fehler lag jedoch in einer verkokten Hochdruck-AGR: Durch den schlechten Zustand der Hochdruck-AGR sind bei der Verbrennung deutlich mehr Stickoxide entstanden als das Motorsteuergerät geschätzt hat. Da die AdBlue-Dosierung auf der Schätzung basierte, wurde deutlich weniger AdBlue eingespritzt, als notwendig gewesen wäre. Hätte das gleiche Fahrzeug NOx vor SCR gemessen, hätte es mehr AdBlue verwenden können. Dann hätte man auch gleich sehen können, dass das AdBlue-System funktioniert hat.
- Es gibt nur einen NOx-Sensor, der meistens NOx vor SCR misst. Diese Variante wird zum Beispiel im VW SSP 540 für den Passat 2015 beschrieben. Das Fahrzeug schätzt und misst die NOx-Werte vor SCR. Liegen die Werte weit auseinander, ist wahrscheinlich der NOx-Sensor kaputt. Geht man vom Gas, und der Motor in den Schubbetrieb, dann wird manchmal die Abgasklappe am Auspuff geschlossen, und das Ventil der Niederdruck-AGR weit geöffnet. Dadurch drehen sich die Abgase praktisch im Kreis durch den Motor und durch den SCR-Katalysator. Da im Schubbetrieb naturgemäß kein Kraftstoff verbrannt wird, kommen keine Schadstoffe neu dazu. Während sich die Abgase im Kreis drehen, muss der NOx-Wert am NOx-Sensor schnell und stark sinken. Tut er das nicht, dann funktioniert etwas nicht. Im Gegensatz zu Variante a) weiß man jedoch, dass es nicht am NOx-Sensor selbst liegt.
- Es gibt zwei NOx-Sensoren: einen, der NOx vor SCR misst, und einen, der NOx nach SCR misst. In diesem Fall kann das Fahrzeug permanent den Wirkungsgrad des SCR-Systems messen. Die Funktion des ersten Sensors wird dabei analog zu b) überprüft. Allerdings könnte nun der zweite Sensor kaputt sein.
- Fahrzeuge mit Doppeldosierungssystem von Bosch verwenden drei NOx-Sensoren. Der erste Sensor wird wie in b) überprüft. Hat man den Verdacht, dass einer der beiden anderen falsch misst, würde ich zur Fehlersuche die AdBlue-Injektoren abklemmen. Dann müssen alle 3 Sensoren vergleichbare Werte zeigen, wenn der gespeicherte Ammoniak verbrauch ist. Weicht einer deutlich ab, ist er der kaputte. Funktionieren alle drei NOx-Sensoren, liegt der Fehler an anderer Stelle.
Zusätzlich dazu gibt es etliche weitere Maßnahmen, um den Fehler genauer lokalisieren zu können:
- AdBlue muss unter Druck eingespritzt werden. Dieser Druck wird gemessen. Ist zum Beispiel irgendwo ein Leck, dann kann der erforderliche Druck nicht aufgebaut werden, und das System zeigt einen Fehler an. Bei dieser Art von Fehler muss dann untersucht werden, ob es ein Leck gibt, ob der Drucksensor kaputt ist, oder ob die AdBlue-Pumpe kaputt ist. Es ist aber durchaus möglich, dass die letzten beiden Varianten nicht unterschieden werden müssen, zum Beispiel weil der Drucksensor sowieso nicht einzeln getauscht werden kann.
- Einige Komponenten werden elektrisch überwacht, zum Beispiel NOx-Sensoren, AdBlue-Injektoren, oder die Heizung des AdBlue-Tanks oder der AdBlue-Leitungen. Beißt ein Marder ein Kabel eines AdBlue-Injektors oder eines NOx-Sensors durch, weiß das Motorsteuergerät, von welcher Komponente es kein Signal bekommt, und hinterlegt dafür einen Fehlerspeichereintrag
- Bei einigen neueren Fahrzeugen wird die Harnstoffkonzentration mittels eines Sensors gemessen. Wasser im AdBlue-Tank wird dann praktisch sofort erkannt, noch bevor hohe Werte am Sensor für NOx nach SCR auftreten. Andersrum gilt dann: ohne eine solche genaue Messung der Harnstoff-Konzentration könnte Fall a) und c) an Wasser im AdBlue-Tank liegen. Um diesen Fehler zu finden, müsste man dann eine Probe aus dem Tank entnehmen.
- Ist elektrisch alles in Ordnung, kann immer noch der AdBlue-Injektor verschmutzt oder der Katalysator gebrochen oder beschädigt sein. Da hilft nur: auseinander bauen bzw. anschauen.
Mit dem letzten Punkt kommen wir zu einem Thema, das immer wieder aufkommt:
Kann ein Fahrzeug AdBlue von Wasser unterscheiden?
Es muss.
Auf Grund der (wieder einmal falschen) Berichterstattung über eine mögliche AdBlue-Knappheit im August und September 2022 wird in Foren vermehrt darüber diskutiert, ob man nicht einfach Wasser, oder zumindest destilliertes Wasser in den AdBlue-Tank füllen kann, um das Fahrzeug auszutricksen. NEIN! Die Verordnung 692/2008 schreibt in Anhang XVI, Punkte 4-6 vor, dass das Fahrzeug mindestens eine der beiden folgenden Optionen umsetzen muss:
a) AdBlue-Qualität und AdBlue-Durchfluss wird überwacht. Im Screenshot rechts: Harnstoffkonzentration von 32,3% gemessen
b) Sensoren messen den Stickoxid-Ausstoß am Auspuff und erkennen somit, ob das System funktioniert oder nicht. Im Screenshot rechts: NOx-vor-SCR = 61 ppm, NOx-nach-SCR = 1 ppm.
Diese Vorschrift gilt bereits für Euro 5 - Fahrzeuge, wenn diese AdBlue verwenden. Inzwischen wird bei einigen Fahrzeugen sowohl die AdBlue-Qualität überwacht, als auch mittels Sensoren der Stickoxid-Ausstoß überwacht.
Setzt ein Fahrzeug nur Variante b) ein, kann es bei hohen Werten für NOx nach SCR zwar nicht ermitteln, warum die Werte schlecht sind, das ist aber vom Gesetzgeber auch gar nicht gefordert. Der Gesetzgeber fordert nur, dass ein nicht funktionierendes AdBlue-System erkannt wird und zu einer Fehlermeldung bzw. nach einer gewissen Strecke zur Stilllegung des Fahrzeugs führt. Die Ursache dafür zu finden ist dann das Problem einer Werkstatt. Werkstätten verfügen für diesen Fall über Ausrüstung, um eine Probe zu nehmen und diese Probe außerhalb des Tanks zu testen.
Die Variante a) kann wie folgt implementiert werden: Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Ultraschallwellen hängt von der Harnstoffkonzentration und der Temperatur ab. Ein Sensor, der sich diese Tatsache zunutze macht, wurde zum Beispiel 2016 von Continental vorgestellt [35]. Heutige AdBlue-Sensoren im AdBlue-Tank berechnen anhand dieser Ausbreitungsgeschwindigkeit von Ultraschall und der Temperatur im Tank die Harnstoffkonzentration auf 1 Prozent genau. Das ist so genau, dass man bei kleineren Abweichungen die Dosierung anpassen könnte.
Würde das Fahrzeug den Betrug nicht bemerken, dann würde man mit Leitungswasser wahrscheinlich das SCR-System beschädigen, z.B. durch Ablagerungen, die sich auf den Dosiermodulen und im Katalysator bilden. Je nachdem, welche Mineralien im Wasser enthalten sind, kann auch der Katalysator selbst zerstört werden. Zum Beispiel ist eine Kalzium-Vergiftung bei einem SCR-Katalysator auf Kupfer-Zeolith-Basis unumkehrbar und führt zum Austausch des Katalysators.
Unabhängig davon wären bei einem Fahrzeug, das trotz Wasser im AdBlue-Tank normal weiterfährt und nicht innerhalb von 50 km plus 30 Minuten eine Fehlermeldung anzeigt, die Vorgaben aus der Abgasverordnung nicht erfüllt.
Abgastemperatur
Manchmal wird immer noch behauptet, dass die notwendige Abgastemperatur im Stadtverkehr auf Grund der niedrigen Last oft nicht erreicht werde, und dass daher der SCR-Katalysator im Stadtverkehr nicht funktioniere.
Diese Aussage stammt noch aus der Zeit der ersten Generation von AdBlue-Systemen, wie sie im Jahr 2005 in LKW der Abgasnorm Euro IV verwendet wurden. Damalige Systeme erforderten 220°C Abgastemperatur. Außerdem musste zwischen AdBlue-Injektor und SCR-Katalysator eine gewisse Strecke liegen, die so lang war, dass das System bei PKW nur im Unterflur angebracht werden konnte, was bei Euro 5 - PKW mit AdBlue dann auch der Fall war. Diese Kombination war tatsächlich im Stadtverkehr bei PKW ein Problem. Als Lösung wurde bei einigen Fahrzeugmodellen ein NOx-Speicherkatalysator nahe am Motor und ein SCR-Katalysator im Unterflur angebracht, was durchaus Sinn gemacht hat2, da diese schon ab 150°C beginnen zu funktionieren [12].
Diese 220°C Abgastemperatur ergaben sich unter anderem aus der Größe der Tropfen, die am AdBlue-Injektor erzeugt werden konnten. Kleinere Tropfen verdampfen schneller, so dass eine geringere Temperatur ausreicht. Bereits 2014 war man bei 180°C. Auch die Mischerstrecke zwischen AdBlue-Injektor und SCR-Katalysator konnte auf wenige Zentimeter verkürzt werden, indem geeignete Mischer eingebaut wurden. Diese Mischer sind so geformt, dass sie eine Verwirbelung im Abgasstrom erzeugen, so dass sich Abgas und Ammoniak schneller vermischen. Damit ist nun auch ein Einbau nahe am Motor möglich. Ein weiterer wesentlicher Punkt war die Entwicklung hitzebeständigerer SCR-Beschichtungen: erst dadurch wurde es möglich, eine SCR-Schicht auf den DPF aufzubringen, denn die muss die Hitze der DPF-Regeneration aushalten.
Die Bilder rechts zeigen nun, dass die Abgastemperatur problemlos ausreicht. Das erste Bild zeigt Standgas bei normalen Außentemperaturen, das zweite zeigt Standgas bei niedrigen Außentemperaturen (siehe auch Analyse mittels VCDS - Teil 2: EA288 evo im Winter). Die Abgastemperatur liegt oberhalb von 180°C, bei niedrigen Außentemperaturen sogar deutlich höher als bei normalen Außentemperaturen. Beide Datenpunkte sind beim Warten an einer roten Ampel entstanden, im ersten Fall mit manuell ausgeschalteter Start/Stopp-Automatik. Die Umwandlungsrate liegt dabei im ersten SCR-Katalysator bei etwa 85%-90%. Der zweite kann im Stadtverkehr in der Tat wieder unter Betriebstemperatur fallen. Bei den Katalysator-Temperaturen, die rechts oben abgebildet sind, zeigt der zweite SCR-Katalysator beim Beschleunigen, z.B. nach einer roten Ampel, praktisch keine Wirkung. Die Kombination aus niedriger Temperatur und höherer Raumgeschwindigkeit der Abgase ist dann schlecht. Genau deswegen gibt es einen motornahen und einen motorfernen SCR-Katalysator.
Bosch hat gezeigt, dass selbst im Londoner Stau, einer extremen Form von Stop & Go, nach 250 Sekunden bereits eine Umwandlungsrate von 85% beim NOx im SCR-Katalysator erreicht werden kann [19]. Auch im Londoner Stau kann der Euro 6 - Grenzwert von 80 mg NOx/km eingehalten werden. Bosch hat dafür keinen NOx-Speicherkatalysator benötigt. Dies erfordert aber zumindest, bei niedrigen Katalysatortemperaturen, also nach dem Kaltstart, die Abgastemperatur zu erhöhen. Dass das tatsächlich geschieht, zeige ich in Analyse mittels VCDS: EA288 evo, Anlaufzeit des AdBlue-Systems.
Ammoniak-Ausstoß
Eine weitere gerne verwendete, aber falsche Behauptung war, dass Fahrzeuge mit SCR-Katalysator zwangsläufig zu viel Ammoniak ausstoßen würden. In einer französischen Studie hat sich gezeigt, dass bei 22 getesteten Fahrzeugen der Abgasnorm Euro 6d-TEMP die Benziner im Schnitt etwas mehr Ammoniak ausgestoßen haben als die Diesel-Fahrzeuge, bei Benzinern scheint das aber niemanden zu stören, siehe Benziner versus Diesel. Insofern ist es schon interessant, dass sich zum Beispiel der BUND oder Transport & Environment über den Ammoniak-Ausstoß von Dieselfahrzeugen beschweren, über den von Benzinern aber nicht.
Zur technischen Seite: Würde man zu viel AdBlue verwenden, würde zu viel Ammoniak entstehen und mit dem Abgas entweichen. Auch wenn man genau die richtige Menge AdBlue oder knapp darunter verwendet, kann etwas Ammoniak aus dem SCR-Katalysator entweichen. Fahrzeuge mit SCR-Katalysator müssen daher Maßnahmen treffen, um die Abgabe von Ammoniak an die Umwelt weitestgehend zu unterbinden. Bei Euro VI - LKWs ist ein Grenzwert von 10 ppm, d.h. 0.001%, für die Ammoniak-Emissionen vorgeschrieben. Die Lösung: Ein "Ammoniak-Sperrkatalysator" oder "Ammoniak-Schlupf-Katalysator" [7].
Im Rahmen der Diskussion über Euro 7 wurde zumindest vorgeschlagen, einen Grenzwert für NH3 einzuführen. Derzeit sieht es aber eher so aus, als ob Euro 7 im Wesentlichen Euro 6e entsprechend wird, d.h. ohne neuen Grenzwert für Ammoniak.
Der ADAC hat im Rahmen von Vergleichsmessungen zwischen herkömmlichen Kraftstoffen und synthetischen Kraftstoffen auch die Ammoniak-Emissionen gemessen. Zwar ist die Anzahl der getesteten Fahrzeuge klein, die Werte jedoch eindeutig [43]:
Diesel: 1,0 - 1,4 mg/km für einen BMW, und 0,5 mg/km bis 0,7 mg/km für einen VW
Benzin: 29 bis 43 mg/km für einen VW TSI
CO-Ausstoß während der DPF-Regeneration
Da sich der Dieseloxidationskatalysator, der eigentlich für die Kohlenmonoxid-Nachbehandlung zuständig ist, im Abgasstrang vor dem Partikelfilter befindet, hilft der nicht beim Kohlenmonoxid aus der DPF-Regeneration. Während Diesel-Fahrzeuge außerhalb der DPF-Regeneration viel weniger Kohlenmonoxid ausstoßen als Benziner, kann der Wert während der DPF-Regeneration sehr stark ansteigen, wenn keine Gegenmaßnahme getroffen wird.
Moderne Ammoniak-Sperrkatalysatoren behandeln nicht nur Ammoniak nach, sondern auch Kohlenmonoxid [31]. Indirekt verbessert das SCR-System damit gleich ein ganz anderes Thema ganz erheblich. Das Selbststudienprogramm 595 von VW, das über VW ErWin bezogen werden kann, sagt ausdrücklich, dass der Sperr-Katalysator bei EA288 evo - Motoren sowohl Ammoniak als auch Kohlenmonoxid nachbehandelt.
N2O-Ausstoß
Lachgas (N2O) ist bei gleicher Masse ein 300x so wirksames Treibhausgas wie CO2. Im Rahmen der Tests an prototypischen SCR-Nachrüstsystemen hat der ADAC auch den N2O-Ausstoß gemessen [14], um zu prüfen, ob die Menge an ausgestoßenem N2O möglicherweise so hoch ist, dass ein relevanter zusätzlicher Treibauseffekt entstehen könnte, denn dann wäre die reine Angabe des ausgestoßenen CO2 irreführend. Dort zeigten sich N2O-Emissionen von weniger als 10 ppm = 0.001% des Abgases. Es ist reiner Zufall, dass der Wert hier vergleichbar mit den zumutbaren NH3-Emissionen ist.
In einer französischen Studie hat sich gezeigt, dass auch dann noch ein geringerer Treibhauseffekt für Diesel-Fahrzeuge bestehen bleibt, wenn man die N2O-Emissionen einrechnet. Siehe dazu die Quellenangeben in Benziner versus Diesel.
Für die Euro VII-Norm steht derzeit (März 2023) im Raum, einen Emissionsgrenzwert für Lachgas einzuführen.
Angeblich hohe Kosten für ein AdBlue-System
Nicht nur die Betriebskosten für AdBlue sind, wie oben bereits vorgerechnet, gering. Auch die angeblich hohen Kosten für die Hardware sind offensichtlich nicht sehr hoch. Wären sie hoch, hätte VW wohl beim im Sommer 2017 eingeführten neuen Modell des Polo auf eine Dieselvariante verzichtet. VW hat aber nicht darauf verzichtet, sondern hat einen "Polo 1.6 TDI SCR" eingeführt. Richtig: Der Preis für AdBlue-Systeme war offenbar so gering, dass man das sogar in Kleinwagen anbieten konnte. Die oben beschriebene Konstruktion mit 2 SCR-Katalysatoren ist z.B. im VW Golf 8 vorhanden [16], d.h. selbst ein System mit 2 SCR-Katalysatoren kann preislich in der Kompaktklasse angeboten werden. Die angeblich hohen Kosten sind nicht nur falsch, sie sind sogar offensichtlich falsch. Im ersten Quartal 2022 waren fast 40% aller neu zugelassenen VW Golf Diesel-Fahrzeuge.
Angebliche Knappheit von AdBlue in den Jahren 2021 und 2022
Vor allem im Sommer 2022 wurden Falschinformationen verbreitet, laut denen angeblich AdBlue knapp werden würde. Allerdings begann diese Kampagne bereits 2021 [34].
Richtig ist, dass die Herstellung von AdBlue sehr viel teurer geworden ist. AdBlue wird aus Harnstoff hergestellt. Harnstoff wird aus CO2 und Ammoniak hergestellt. Und Ammoniak wird zum Beispiel aus Erdgas hergestellt, womit klar ist, warum es theoretisch tatsächlich zu einer AdBlue-Knappheit hätte kommen können. Es hätte tatsächlich sein können, dass nicht genug Erdgas verfügbar ist. Genau das wurde aber nie behauptet, insbesondere nicht von AdBlue-Herstellern.
Wenn Hersteller wie die Stickstoffwerke Piesteritz allen Ernstes sagen, dass sie zwar genug Erdgas hätten, dass sich aber die AdBlue-Herstellung nicht mehr lohne, dann ist dieser Unsinn so leicht zu durchschauen, dass Journalisten hätten hellhörig werden müssen. Einige hatten korrekt bemerkt, dass AdBlue zwingend notwendig, um Regale in Supermärkten zu füllen. Das heißt aber, dass die AdBlue-Kunden zahlen müssen, egal welche Preise aufgerufen werden. Folglich wären die Preise für AdBlue einfach so weit gestiegen, bis sich die Herstellung doch wieder lohnt. Denn, noch einmal: Die Stickstoffwerke Piesteritz haben nie behauptet, dass ihnen das Erdgas fehle, um AdBlue herstellen zu können. Sie haben sich nur über die erzielbaren Preise beschwert.
Die Darstellung in der Presse, dass eine AdBlue-Knappheit droht, war also so offensichtlich falsch, dass Absicht wahrscheinlicher ist als Unfähigkeit, es war also ein Falschinformation.
Ich habe die Preise an den Tankstellen bei uns beobachtet: Nach 0,699€/l bis 0,999€/l im Jahr 2021 lagen die höchsten Preise bei 1,849€/l. Eine Knappheit sieht anders aus. Bei einer Knappheit haben Tankstellen kein AdBlue mehr.
Eine weitere Falschinformation war die Behauptung, dass es ohne AdBlue auch keine Feuerwehr mehr gäbe. Das ist Unsinn. Sowohl die UN/ECE-Regelung 83 (für PKW) als auch die UN/ECE-Regelung 49 (für Nutzfahrzeuge) erlauben explizit, dass der Fahrzeughersteller das Aufforderungssystem des AdBlue-Systems von solchen Fahrzeugen dauerhaft deaktiviert. Zitat aus der UN/ECE-Regelung 83 [29]:
8.1.1. Die Anforderung für ein Fahreraufforderungssystem gilt nicht für Fahrzeuge, die für die Verwendung durch Rettungsdienste, Streitkräfte, den Katastrophenschutz, Feuerwehren und die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zuständigen Kräfte ausgelegt und gebaut sind. Die dauerhafte Deaktivierung des Fahreraufforderungssystems bei solchen Fahrzeugen darf nur vom Fahrzeughersteller vorgenommen werden.
Das Fahreraufforderungssystem ist dasjenige System, das den Fahrer erst auffordert, und dann zwingt, AdBlue bei Bedarf nachzufüllen, und defekte AdBlue-Systeme reparieren zu lassen.
Externe Links:
[1] AUS32 (AdBlue®) Specifications as per ISO22241
[2] Rußpartikelfilter und SCR-Systeme für Generatoren und Notstromanlagen (Quelle: TEHAG, besucht am 10.08.2019)
[3] SCR-Technologie und Harnstofflösungen für Schiffsmotoren (Quelle: Yara, abgerufen: 10.08.2019)
[4] Atomare Masseeinheit (Quelle: Wikipedia, abgerufen: 10.08.2019)
[5] Tests der Deutschen Umwelthilfe weisen auf massiven Abgasbetrug mit Billig-Austauschkatalysatoren für Pkw hin (Quelle: DUH, abgerufen: 10.08.2019)
[6] Report Mainz: Betrugskatalysatoren bei Benzinern! (Quelle: Report Mainz, abgerufen: 10.08.2019)
[7] Der Antrieb: Sauberes Debüt: Neuer leistungsstarker Zweiliter-Diesel erfüllt als erster Motor überhaupt Euro 6d-Abgasnorm (abgerufen: 10.08.2019)
[8] Reale Stickoxid-Emissionen von Diesel-Pkw nach wie vor zu hoch - Diesel-Pkw der neuesten Generation (6d-TEMP) unterschreiten Grenzwerte im Realbetrieb allerdings deutlich (Quelle: UBA, abgerufen: 26.03.2022)
[9] Audi manipulierte beliebtes Dienstwagenmodell - Produktion gestoppt (Quelle: Spiegel, abgerufen: 10.08.2019)
[10] AdBlue nachfüllen – wieviel passt in den Tank? Füllmenge? (Quelle: Auto Hirsch, abgerufen: 10.08.2019)
[11] Clever-Tanken (abgerufen: 05.08.2022)
[12] Die Technik (Quelle: BDI, abgerufen: 11.08.2019)
[14] Überprüfung der Funktions- und Leistungsfähigkeit hardwareseitig umgerüsteter Euro 5-Dieselfahrzeuge im Alltagsbetrieb (Quelle: ADAC, abgerufen: 20.08.2019)
[15] "Europa 2" wird in Hamburg getauft (Quelle: Spiegel, abgerufen: 04.09.2019)
[16] Innovatives Twindosing senkt die NOx-Emissionen um rund 80 Prozent (Quelle: https://www.volkswagen-newsroom.com, abgerufen: 06.09.2019)
[17] Messungen an Euro 5- und Euro 6-Pkw im ADAC EcoTest (Quelle: ADAC, besucht am 10.08.2019)
[18] BETRIEBSANLEITUNG Skoda Superb (Quelle: Skoda, abgerufen: 04.01.2020)
[19] The Path to a Negligible NO2 Immission Contribution from the Diesel Powertrain (Quelle: Bosch, abgerufen: 18.01.2020)
[20] Fachempfehlung des Fachausschusses Technik der deutschen Feuerwehren (Quelle: Technik der deutschen Feuerwehren, abgerufen: 27.06.2021)
[21] Scania introduces Euro VI engine without EGR (Quelle: dieselnet, abgerufen: 25.07.2021)
[22] Selective catalytic reduction of NO and NO2 at low temperatures von 2002 (abgerufen: 15.01.2022)
[23] Verordnung 692/2008 der Europäischen Union (abgerufen: 26.03.2022)
[24] So haben sich die Spritpreise seit 1950 entwickelt (Quelle: ADAC, abgerufen: 03.04.2022)
[25] Wikipedia-Artikel über AdBlue, Version vom 30.09.2020
[26] https://www.pkw-forum.de/threads/ad-blue-selber-nachfuellen.35428/
[27] Verordnung 715/2007 der Europäischen Union (abgerufen: 24.07.2022)
[28] Verordnung 2017/1151 der Europäischen Union (abgerufen: 24.07.2022)
[29] Regelung Nr. 83 der UNECE (abgerufen: 30.09.2023)
[30] DUH: Enorme Stickstoff-Belastung in München und Passau (Quelle: BR, abgerufen: 07.08.2022)
[31] AMMONIAKSCHLUPF KATALYSATOR (ASC) (Quelle: Interkat, abgerufen: 16.08.2022)
[33] AdBlue: Preis für Diesel-Zusatz steigt weiter (Quelle: ADAC, Version vom 27.09.2022,abgerufen: 02.10.2022)
[34] Adblue-Produktion gedrosselt - Nächster Dämpfer für Dieselfahrer
[35] Urea-Sensor von Continental macht Dieselantriebe sauberer (Quelle: Springer, abgerufen: 05.03.2016)
[36] Urea-SCR Technology for deNOx After Treatment of Diesel Exhausts, Isabella Nova and Enrico Tronconi, 2014
[37] M. Nahavandi: Selective Catalytic Reduction (SCR) of NO by Ammoniak over V2O5/TiO2 Catalyst in a Catalytic Filter Medium and Honeycomb Reactor: A Kinetic Modeling Study. 2. Februar 2015
[38] https://www.skodacommunity.de/threads/garantiereparatur-adblue.144822/
[39] Für saubere Abgase sind große Mengen Adblue nötig (Quelle: Stuttgarter Nachrichten, abgerufen: 17.10.2023)
[40] Das IVECO HI-SCR System ( Quelle: Iveco, abgerufen: 06.11.2023)
[42] Der schmutzige Adblue-Trick der Autobauer (abgerufen: 20.06.2024, Quelle: Wirtschaftswoche)
[43] https://assets.adac.de/image/upload/v1669910202/ADAC-eV/KOR/Text/PDF/eFuel-Test_ayoykj.pdf
Fußnoten:
1: Ein solches System nennt man ein "Aufforderungssystem" und ist gesetzlich vorgeschrieben. Für schwere Nutzfahrzeuge ist es zulässig, wenn der Motor startet, aber dann nur im Notlauf arbeitet. Der Fahrer wird dadurch mit Nachdruck aufgefordert, AdBlue nachzufüllen. Die UN/ECE-Regelung 49 legt fest, dass Nutzfahrzeuge für Rettungseinsätze, für den Katastrophenschutz nicht dieser Regel unterliegen und auch bei defektem AdBlue-System oder leerem AdBlue-Tank normal funktionieren.
2: Der Ausdruck "Sinn machen" wird seit über 250 Jahren in Deutsch verwendet, siehe z.B. http://www.sprachlog.de/2010/01/28/max-frisch-macht-sinn-2/
3: Zitat aus [13]: Die Auswahl der Fahrzeuge für die Untersuchungen ergibt sich aus einem jährlichen Prüfplan, den Hinweisen von übergeordneten Behörden sowie Dritten (Vereine, Verbände und Bürgern) und Erkenntnissen aus dem Bereich der Fahrzeugtypgenehmigungen.
5: Je nach Fahrzeuggeneration und genauem Motortyp können sogar Schäden entstehen. Vor allem bei Benzinern kann unverbrannter Kraftstoff in den Katalysator gelangen, wenn man ihn leer fährt. Dabei kann der Katalysator beschädigt werden. Es gibt Diesel-Fahrzeuge, bei denen dann die Hochdruckpumpe eine Mangelschmierung erleidet, was schlimmstenfalls das gleiche Schadensbild wie bei einer Falschbetankung mit Benzin verursachen kann. Das Handbuch des Fahrzeugs sollte Auskunft darüber geben, ob das Leerfahren des Kraftstofftanks Folgeschäden verursachen kann
6: sofern sie keinen Magerbetrieb und keinen Betrugskatalysator [5], [6] von Drittherstellern verwenden