Der Propagandabegriff "Diesel-Fahrverbot"
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 27.02.2018 folgendes Urteil [2] veröffentlicht:
Hinsichtlich des Luftreinhalteplans Stuttgart hat das Verwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass lediglich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 in der Umweltzone Stuttgart eine geeignete Luftreinhaltemaßnahme darstellt.
Obwohl es hier also ausdrücklich sowohl um Diesel- als auch um Benziner geht, wurde über dieses Urteil praktisch nur im Zusammenhang mit "Diesel-Fahrverboten" gesprochen. Diesel-Fahrverbote für Benziner unterhalb von Euro 3. Und tatsächlich: Darmstadt hat bereits ein Diesel-Fahrverbot für Benziner bis Euro 2. Essen und Bonn haben entsprechende Beschlüsse. Die unsachliche Verwendung des Begriffs ist daher offensichtlich. Der Begriff wird vor allem verwendet, damit sich Fahrer sowie zukünftige Käufer von Benzinern auf der sicheren Seite fühlen, obwohl der Kohlenmonoxidausstoß (siehe Benziner, Benzindirekteinspritzer und (Ultra)Feinstaub) der meisten Benziner im ADAC EcoTest hundertfach und mehr über dem von Dieseln und auch über dem zulässigen Grenzwert für Benziner liegt und obwohl die meisten Benziner bis Euro 6b zusätzlich noch einen exorbitant hohen Ausstoß an Ultrafeinstaub (PM 0.1) aufweisen.
Des weiteren ist der Begriff so gewählt, dass unkundige Leser glauben können und sollen, dass Diesel-Fahrzeuge (und nur solche) in eine solche Zone oder Straße nicht einfahren dürfen, obwohl es erstens nur um Diesel-Fahrzeuge bis zu einer bestimmten Abgasstufe geht und zweitens oft auch Benziner bis zu einer bestimmten Abgasstufe betroffen sind.
Umweltzonen und "Diesel-Fahrverbote"
Derzeit wird der Begriff "Diesel-Fahrverbot", wie oben beschrieben, dann verwendet, wenn unter anderem manche Diesel-Fahrzeuge von Verkehrseinschränkungen betroffen sind. Blicken wir also zurück ins Jahr 2008. Im Jahr 2008 wurde die erste Umweltzonen in einer deutschen Stadt eingeführt. Um in eine Umweltzone einfahren zu dürfen, muss das Fahrzeug die mindestens geforderte Umweltplakette haben. Folgende Eigenschaften musste das Abgassystem des Fahrzeugs haben:
Farbe | Benziner | Diesel |
rot | - | Euro 2 |
gelb | - | Euro 3 (ohne oder mit Partikelfilter) oder Euro 2 (mit Partikelfilter) |
grün | geregelter Katalysator oder besser. Faktisch bedeutet das: Alle mit Euro 2 sowie einige unterhalb von Euro 1. | Euro 4 (ohne oder mit Partikelfilter) oder Euro 3 (mit Partikelfilter) |
Für Benziner gab es also nur die grüne oder keine. Schaut man sich die Tabelle genauer an, bedeutet das: Vor allem in gelben und grünen Umweltzonen waren hauptsächlich Diesel-Fahrzeuge betroffen, aber auch in roten Umweltzonen waren bereits mehr Diesel-PKW als Benziner betroffen.
Im heutigen Antidieseltrollsprech1 haben wir in Deutschland also zonale "Diesel-Fahrverbote" seit 01.01.2008, allerspätestens seit 01.01.2010. Berlin hatte bereits ab 2010 eine grüne Umweltzone, und damit ein zonales Fahrverbot für alle Diesel-PKW bis Euro 2 und für die meisten bis Euro 3. Da Euro 3-Diesel-PKW noch 31.12.2005 als Neufahrzeug zugelassen werden konnten, heißt das: im Jahr 2010 benötigten manche reichlich 4 Jahre alten Fahrzeuge eine Hardware-Nachrüstung (einen Partikelfilter), um in manche Umweltzonen einfahren zu dürfen, während alle höchstens 17 Jahre alten Benziner weiterfahren durften3. Der Propagandabegriff "Diesel-Fahrverbot" wurde allerdings damals nicht verwendet, da das Ziel nicht darin bestand, Fahrzeugkäufer zu Benzinern zu treiben, sondern darin, Fahrzeuge mit besonders hohem Feinstaubausstoß aus Innenstädten, die die Grenzwerte für Feinstaub in Stadtluft nicht einhalten, herauszuhalten. Tatsächlich waren die Reaktion damals weitaus schwächer: Nicht die Umweltzonen stellten und stellen ein Problem für Autofahrer und Halter dar, sondern die Verwendung von Propagandabegriffen wie "Diesel-Fahrverbot".
Umweltzonen außerhalb von Deutschland
Obwohl zonale Fahrverbote für einige Diesel-PKW in Deutschland bereits seit 2008 bestehen, sehen Antidieseltrolle Umweltzonen außerhalb von Deutschland weiterhin als unwiderlegbaren Beweis, dass der Diesel-PKW tot ist. Hier einige Beispiele für Umweltzonen im Ausland und für die dort betroffenen Fahrzeuge. Diese werden von Antidieseltrollen als Beweis angeführt werden, dass der Diesel-PKW tot sei:
Stadt/Land | Diesel | Benziner |
Großraum Paris | bis inkl. Euro 2 | bis inkl. Euro 1 |
Viele Städte in Italien | Sommer: bis inkl. Euro 2 Winter: bis inkl. Euro 3 |
bis inkl. Euro 0 |
Viele Städte in Belgien | bis inkl. Euro 3 | bis inkl. Euro 2 |
Die allermeisten Umweltzonen, die es im Ausland gibt, sind höchstens genauso streng wie die grünen Umweltzonen, die wir zum Teil schon seit 2010 in Deutschland haben. Der ADAC führt dazu eine Liste [1]. Obwohl das so ist, verwenden Antidieseltrolle solche Umweltzonen weiterhin als Argument, da ihnen nichts besseres einfällt oder sie ihre Leser für dumm halten.
Die Anti-Diesel-Trolle der französischen Regierung hatten geplant, Diesel-Fahrzeuge auch mit Euro 6d-TEMP bald aus einigen Städten auszusperren, z.B. Paris ab 2024. Die zur Rechtfertigung nachträglich in Auftrag gegebene Studie konnte das Vorhaben nicht rechtfertigen, weswegen diese Studie ignoriert werden musste (siehe Benziner versus Diesel). Der EuGH hat diesem Vorhaben einen Riegel vorgeschoben [3], d.h. Frankreich muss nun den EuGH ignorieren, um weiterhin gegen Diesel-Fahrzeuge trollen zu können.
"Diesel-Fahrverbot" und die Verbreitung besonders schmutziger Benzindirekteinspritzer ohne Partikelfilter
Seit 01.09.2018 müssen Neufahrzeuge die Schadstoffklasse Euro 6c erfüllen. Erst ab Euro 6c gilt für Benzindirekteinspritzer der gleiche Grenzwert für die Partikelzahl wie für Diesel-PKW. Der Grenzwert liegt so, dass viele Modelle dadurch einen Partikelfilter benötigen4. Ottopartikelfilter wiederrum sind, genauso wie Dieselpartikelfilter so wirksam, dass die Emissionen von Feinstaub und Ultrafeinstaub dadurch sehr weit unter den Grenzwert gedrückt werden. Entsprechende Modelle wurden in größerer Zahl erst 2017 und 2018 eingeführt. Besonders im Sommer 2017 jedoch standen die Höfe von Autohändlern voller besonders schmutziger Benzindirekteinspritzer der Schadstoffklasse Euro 6b2. Diese stoßen nicht selten 100x mehr Ultrafeinstaubpartikel aus als Benzindirekteinspritzer ab Euro 6c.
Durch Antidieselpropaganda im Jahr 2017 wurde viele Besitzer junger gebrauchter Diesel-PKW dazu gebracht, ihr Fahrzeug nach Osteuropa zu verkaufen und auf einen Benzindirekteinspritzer ohne Partikelfilter der Schadstoffklasse Euro 6b umzusteigen. Erst dadurch wurde Platz auf den Höfen der Autohändler geschaffen, um nach diesem Abverkauf neue Modelle der Schadstoffklasse Euro 6c anbieten zu können. Das ist nicht nur deswegen dramatisch, weil diese Fahrzeugbesitzer dadurch von einem schlechten zu einem anders schlechten Fahrzeug getrieben wurden, sondern auch, weil das Abgassystem der meisten Euro 5-Diesel-PKW hätte repariert werden können, wenn diese Lösung nicht jahrelang torpediert worden wäre. Sollte die EU auch für Ultrafeinstaub der Größe PM0.1 einen Grenzwert für Stadtluft einführen, sind diese besonders schmutzigen Benzindirekteinspritzer von Fahrverboten bedroht. Wenn es dann so weit ist, will es aber keiner vorher gewusst haben können. Medien, die besonders aktiv Antidieselpropaganda verbreitet haben, werden das dann so darstellen, als wäre das Thema nicht seit spätestens 2011 bekannt (siehe Benziner, Benzindirekteinspritzer und (Ultra)Feinstaub) und als hätten sie nicht eine Mitschuld an der Verbreitung besonders schmutziger Benzindirekteinspritzer ohne Partikelfilter.
Externe Links
[1] Zufahrtsbeschränkungen in Europa (Quelle: ADAC, abgerufen: 11.08.2019)
[2] Pressemitteilung Nr. 9/2018 vom 27.02.2018: Luftreinhaltepläne Düsseldorf und Stuttgart: Diesel-Verkehrsverbote ausnahmsweise möglich
[3] EuGH: Städte dürfen Euro-6-Autos mit hohen NOx-Werten nicht aussperren (Quelle: Heise, abgerufen: 04.02.2022)
Fußnoten:
1: Siehe "Neusprech" in "1984" von George Orwell
2: Es gibt eine kleine Auswahl an Benzindirekteinspritzern, die zwar vom Hersteller nur als Euro 6b zugelassen wurden, die aber trotzdem bereits über einen Ottopartikelfilter verfügen. Im Falle von Fahrverboten könnte der Gesetzgeber, diese per Gesetz von Fahrverboten befreien, sofern diese Fahrverbote durch Ultrafeinstaub-Belastung nötig werden.
3: Der 3-Wege-Katalysator für Benziner war ab 1993 für Neufahrzeuge vorgeschrieben. Benziner mit 3-Wege-Katalysator bekommen immer die grüne Plakette.
4: Beim Diesel-PKW benötigen nicht nur viele, sondern alle einen Partikelfilter, und zwar seit Euro 4 mit Partikelminderungsstufe 5