Analyse mittels VCDS: Anlaufzeit des AdBlue-Systems nach dem Kaltstart

Eine wichtige Fragestellung für AdBlue-Systeme ist, wie lange sie nach einem Kaltstart benötigen, um ausreichend warm zu werden, um betriebsbereit zu sein. Im Folgenden zeige ich, wie sich die Fragestellung untersuchen lässt, welche Sensorwerte man dazu benötigt, und welche Anlaufzeiten sich bei den Tests gezeigt haben. Dabei zeige ich Ergebnisse für mehrere Szenarien:

  • Normale Nutzung des Fahrzeugs
  • Fahren mit Schrittgeschwindigkeit solange, bis das System arbeitet
  • Kaltstart bei niedrigen Außentemperaturen ist in einem separaten Artikel über das Verhalten bei niedrigen Außentemperaturen beschrieben

Alle Bilder können durch Anklicken in höherer Auflösung angezeigt werden.

Methodik

Wie im Artikel über AdBlue beschrieben, wird AdBlue verdampft, und dabei Ammoniak gewonnen. Der Ammoniak reagiert mit Stickoxiden. Dabei wird auch Ammoniak in den SCR-Katalysatoren gespeichert. Nach einem Kaltstart steht immer noch Ammoniak von der vorherigen Fahrt zur Verfügung. Man muss also zwei Fragestellungen untersuchen:

  • wie lange dauert es, bis ausreichende Temperaturen erreicht werden, so dass noch vorhandener Ammoniak umgesetzt werden kann?
  • wie lange dauert es, bis ausreichende Temperaturen erreicht werden, damit AdBlue eingespritzt wird?

Beide Fragen können einfach dadurch beantwortet werden, dass man die Ammoniak-Beladung der SCR-Katalysatoren abfragt: Zu Fahrtbeginn ist die Beladung zunächst konstant. Ab einem gewissen Punkt nimmt sie ab, d.h. bereits vorhandener Ammoniak reagiert mit Stickoxiden. Kurz darauf nimmt die Ammoniak-Beladung zu. Die einzige Möglichkeit, wie die Ammoniak-Beladung zunehmen kann, ist, dass AdBlue eingespritzt wurde. Unabhängig davon kann man natürlich auch direkt den AdBlue-Verbrauch aufzeichnen. Dabei sollte man sich bewusst sein, dass die Ammoniak-Beladung nicht gemessen werden kann, sondern dass die Veränderung der Ammoniak-Beladung anhand eines theoretischen Modells berechnet wird. Das Motorsteuergerät weiß einfach, unter welchen Bedingungen welche chemischen Reaktionen in welchem Ausmaß stattfinden.

Die Sensorwerte der NOx-Sensoren helfen hier nicht weiter. NOx-Sensoren arbeiten nur, wenn sie ausreichend warm sind, und der zweite und dritte NOx-Sensor werden erst betriebswarm, wenn das AdBlue-System längst betriebsbereit ist. Die Idee, die Betriebsbereitschaft des AdBlue-Systems daran zu erkennen, dass die Werte für NOx nach SCR plötzlich fallen, funktioniert daher nicht.

Bei solchen Tests zeige ich auch die Motordrehzahl, damit niemand glaubt, ich würde bei 30 km/h im ersten Gang fahren, um das Aufwärmen zu beschleunigen.

Normale Fahrt

Im ersten beschriebenen Test lag die Parktemperatur bei +4°C, die Außentemperatur bei knapp unter 0°C. Das Fahrprofil war normal, d.h. Start in der Tiefgarage. Vor dem Haus befindet sich dann ein verkehrsberuhigter Bereich. Man sieht erste Umwandlungen nach 90 Sekunden, und AdBlue-Einspritzung ab 126 Sekunden.

Die AdBlue-Einspritzung nach 126 Sekunden ist in den Rohdaten noch deutlicher sichtbar. Auch die Außentemperatur ist hier mit abgebildet (Spalte I):

Fahren mit Schrittgeschwindigkeit

Bei diesem Test lag die Außentemperatur bei etwa +8°C. Die Geschwindigkeit lag bei 7 km/h, also Standgas im ersten Gang. Hier hat es etwa 110 Sekunden gedauert, bis erste Umwandlungen stattgefunden haben, und gut 200 Sekunden, bis AdBlue verbraucht wurde. Man erkennt den beginnenden AdBlue-Verbrauch daran, dass die Ammoniak-Beladung in SCR1 ansteigt.

Behauptungen, AdBlue-System würden im Stadtverkehr nicht warm werden oder nicht funktionieren, können bei diesem Fahrzeug als widerlegt betrachtet werden, da offenbar sogar Schrittgeschwindigkeit ausreicht, um den ersten, motornahen SCR-Katalysator zügig aufzuheizen.

Der zweite SCR-Katalysator wird tatsächlich unter solchen Bedingungen nicht betriebswarm. Das folgende Beispiel zeigt Stop&Go-Verkehr bereits kurz nach dem Motorstart:

Bei dieser Form von Stop&Go wird der zweite SCR-Katalysator aber auch gar nicht benötigt, wie man an den Werten des zweiten NOx-Sensors sieht.

Die Aufwärmphase selbst lässt sich anhand der Temperatursensoren visualisieren. Im linken Bild sieht man vor allem im Bereich Sekunde 110 bis 150 eine Temperatur von etwa 500°C am ersten Temperatursensor, und das bei 30 km/h. Der erste Temperatursensor misst direkt am Ausgang des Motorblocks, noch vor der Abgasturbine des Turboladers. Im rechten Bild war es draußen etwas wärmer, und dort ist die Abgastemperatur am ersten Sensor nur auf 400°C gestiegen. Hier kann ich allerdings nicht sagen, ob das an der Außentemperatur liegt, oder ob die Motorlast höher war. Die Straße ist gefühlt gerade. In beiden Fällen sieht man aber eindeutig, dass die Abgastemperatur bei 30 km/h zunächst recht hoch ist, und dann abfällt, wenn die Temperatur in SCR1 einen Wert um die 140 bis 150°C erreicht.

 

 

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