Analyse mittels VCDS: Vollgasbeschleunigung

Die Analyse zum Verhalten des AdBlue-Systems bei Vollgasbeschleunigung umfasst zwei Szenarien, die verschieden betrachtet werden müssen, auch wenn das auf den ersten Blick nicht so scheinen mag:

  • Kurzzeitige Vollgasbeschleunigung
  • Anhaltende Vollgas-Belastung

Kurzzeitige Vollgasbeschleunigung

In den folgenden beiden Abbildungen sieht man Vollgas-Beschleunigungen ohne Einschränkung auf einen bestimmten Gang. Stattdessen wird tatsächlich so stark beschleunigt wie möglich. Einmal findet die Beschleunigung nach einem Streckenabschnitt mit rund 30 km/h, der am Ortsausgang endet, statt, einmal nach dem Abfahren von der Autobahn beim Abbiegen auf die Landstraße. Hierbei fällt auf, dass im ersten Fall der zweite SCR-Katalysator nicht mehr auf Betriebstemperatur zu sein scheint, denn die Werte am zweiten und dritten NOx-Sensor sind fast identisch. Im zweiten Fall sind die Werte am dritten Sensor erheblich niedriger: Von etwa 800 ppm am ersten Sensor bleiben etwa 120 ppm übrig, was einer Umwandlungsrate von 85% während der Vollgasbeschleunigung entspricht.



 

Auch die nächsten beiden Abbildungen zeigen die NOx-Sensorwerte während Beschleunigungen mit Vollgas. Dabei ist Vollgas am Drehmoment-Verlauf zu erkennen. Einmal bei sehr niedriger Drehzahl beginnend bei 80 km/h, und einmal von 130 km/h bis auf 209 km/h (Tacho: 220 km/h). Beide Beschleunigungen finden nur im 7. Gang statt. Für die Variante mit niedriger Drehzahl muss das DSG auf manuelle Schaltung gestellt werden, da es sonst zurückschaltet. Auch die Beschleunigung bei höheren Geschwindigkeiten ist mit manueller Schaltung leichter zu testen. Interessant ist dabei, dass bei Drehzahlen unterhalb von 1700/min der NOx-Anteil im Rohabgas höher ist als bei höheren Drehzahlen: Bei niedriger Drehzahl kann der Wert am ersten NOx-Sensor auf über 900 ppm steigen, bei höheren Drehzahlen (in diesem Fall: 3200/min) und Vollgas liegt der Wert bei unter 600 ppm.



 

Anhaltende Vollgasbeschleunigung

AdBlue-Injektoren haben eine technische Begrenzung für die maximal mögliche Einspritzmenge. Sie müssen Tropfen der richtigen Größe bilden, um eine ausreichend schnelle Verdampfung sicherzustellen. Außerdem muss die Fördereinheit in der Lage sein, den Einspritzdruck aufrecht zu erhalten. Im Falle des untersuchten Fahrzeugs liegt diese maximal mögliche Dosierung bei etwa 1,1 Litern pro Stunde.

Unter Extrembedingungen reicht diese Dosierung aber eigentlich nicht aus. Das lässt sich nachrechnen: Wie in AdBlue und AdBlue-Verbrauch erklärt, benötigt man 1 Liter AdBlue für 543g Stickoxide. Mit einer Dichte von 1,09g/cm³ liegen wir also bei 1,09kg AdBlue für 543g Stickoxide, also 1g AdBlue für 0,5g Stickoxide, also 2:1.

In den folgenden Abbildungen betrachten wir den NOx-Massenstrom ṁNOx(t) in mg/s und den AdBlue-Verbrauch in mg/s. Um die abgerufene Motorleistung zu bewerten, ist der Kraftstoffverbrauch pro Stunde abgebildet. Die direkte Berechnung der Leistung würde die Kenntnis von Drehmoment und Drehzahl erfordern. Diese beiden Werte sind aber in der entsprechenden Datenaufzeichnung nicht enthalten. Die AdBlue-Dosierung kann direkt aus dem Motorsteuergerät abgefragt werden. Der NOx-Massenstrom NOx(t) ergibt sich aus dem Abgasmassenstrom ṁ(t) und der NOx-Konzentration φNOx(t) vor SCR: 

NOx(t) =  46/29 * ṁ(t) * φNOx(t)

Zusätzlich muss man beachten, dass die Abfrage der momentanen Dosierung bis zu 10 Prozent weniger AdBlue-Verbrauch liefert als eine Berechnung mittels des Gesamtverbrauchs: während die maximale Dosierung mit 325,4 mg/s angegeben wird, ergibt eine Berechnung über den Gesamtverbrauch bis zu 350 mg/s. Für die nun kommenden Betrachtungen ist das aber unerheblich, weil wir sehen werden, dass die Dosierung unter Extrembedingungen noch deutlich über 350 mg/s liegen müsste. Man kann also sagen, dass hier die Grenze der Leistungsfähigkeit des Systems sichtbar ist.

Weiterhin darf man das Thema der Ammoniak-Speicherung in SCR-Katalysatoren nicht ignorieren. Die folgenden Abbildungen und Analysen machen nur dann Sinn, wenn man das Abgassystem zuvor durch entsprechende Fahrweise auf eine so hohe Temperatur bringt, dass beide SCR-Katalysatoren ohne, oder zumindest ohne nennenswerte Ammoniak-Beladung betrieben werden.

In der folgenden Abbildung sieht man bei Sekunde 2.480 eine AdBlue-Dosierung von ca. 110 mg/s, und einen NOx-Massenstrom von etwa 55 mg/s, was genau zur theoretisch notwendigen Dosierung von 2:1 passt. Bei anhaltend höherer Last, etwa ab Sekunde 2.850, wird die Dosierung etwas reduziert. Wir sehen zum Beispiel bei Sekunde 2.900 etwa 180mg/s AdBlue bei einem NOx-Massenstrom von 130mg/s, obwohl eigentlich 260mg/s nötig wären. Dazu muss man wissen, dass die maximal erreichbare Umwandlungsrate von AdBlue-Systemen bei hohen Katalysator-Temperaturen wieder abnimmt, und wir sprechen hier von 200 km/h an einer leichten Steigung, bei einem Kraftstoffverbrauch von 30 Litern pro Stunde, und einer Dauer von 2 Minuten. Eine höhere Dosierung würde möglicherweise die Umwandlungsrate zwar etwas verbessern, aber vor allem zu Ammoniak-Schlupf oder Ammoniak-Oxidation führen. 

Bei einer durchgehenden Vollgasbeschleunigung, mit Drehzahlen über 4.000/min bei anhaltendem Vollgas, kann man den NOx-Massenstrom vor SCR auf 300mg/s treiben. In der folgenden Abbildung sieht man von Sekunde 8.720 bis 8.755 eine konstante AdBlue-Dosierung von 325 mg/s, obwohl stellenweise bis zu 600 mg/s nötig wären. Rechnerisch kann die Umwandlungsrate am Ende der Beschleunigung somit gar nicht höher als 60 Prozent liegen, falls die Ammoniak-Beladung bei 0 liegt. Das sieht man auch in der Abbildung der NOx-Sensorwerte: Bei Sekunde 8.755 bei einem Wert von etwa 950 ppm für NOx vor SCR steigt NOx nach SCR auf gut 400 ppm. Kurz nach dem Schaltvorgang vom 5. in den 6. Gang, wo NOx vor SCR wieder auf 600 ppm fällt, fällt NOx nach SCR auf 120 ppm, d.h. die Umwandlungsrate liegt dort bei 80%. Da an beiden Messpunkten der Kraftstoff-Verbrauch im Bereich von 37 l/h liegt, kann man hier auch nicht mit dem Abgasmassenstrom argumentieren. Höchstwahrscheinlich ließe sich eine Umwandlungsrate von 75 bis 80% aufrecht erhalten, wenn die Systemgrenze bei der AdBlue-Einspritzung deutlich mehr als 325 mg/s zulassen würde.

Solche Werte lassen sich aber bei diesem Fahrzeug tatsächlich nicht im 7. Gang provozieren, es gelingt nur bei Vollgasbeschleunigungen in kleineren Gängen. 

 

 

Hier ist also klar: man kann die Systemgrenze des AdBlue-Systems erreichen. Bei normalen Beschleunigungen, zum Beispiel im Ortsausgang, gibt es das Problem aber nicht, einfach weil im Stadtverkehr mit hoher Ammoniak-Beladung gearbeitet wird. Beim Beschleunigen am Ortsausgang, auch mit Vollgas, ist so viel Ammoniak gespeichert, dass die Systemgrenze bei der maximalen Dosierung kein Problem darstellt.

 

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