Focus glaubt, AGR würde beim TÜV getestet
Unter [1] hat der Focus unter Berufung auf Futurezone einen alten Artikel aufgewärmt, der selbst mit den geringen Erwartungen, die ich an die meisten Journalisten habe, noch als ziemlich schlecht bewertet werden muss. Dass der Artikel alt ist weiß ich, weil ich den gleichen Inhalt schon einmal vor ein paar Monaten lesen musste, allerdings damals woanders. Konkret geht es um defekte Partikelfilter und einen angeblichen Test der Abgasrückführung bei der Abgasuntersuchung.
Irreführende Darstellungen des Focus
Zunächst heißt es unter [1]: "TÜV-Problem: Vor allem Ford-Diesel fallen bei erster Prüfung durch", und es werden Reparaturkosten von 3.000€ angegeben.
Als die Häufigkeit der Probleme bei Ford im Zusammenhang mit dem Partikelfilter erstmals aufgefallen ist (d.h. ab Juli 2023, als der Partikeltest eingeführt wurde), hatten Kunden tatsächlich ein Problem, denn abgesehen davon, dass neue Partikelfilter oft lange Lieferzeiten hatten, sind die Preise tatsächlich so hoch. In der Zwischenzeit allerdings wurde ein Rückruf gestartet (Rückrufcode des Herstellers zur Eingabe auf https://www.kba-online.de/rrdb/buerger/#/ : 24E06), und Ford prüft und tauscht ggf. defekte Partikelfilter. Der Rückruf wird vom KBA überwacht. Der Rückruf konnte vermutlich angeordnet werden, weil die Verordnung 715/2007 [3] eine Dauerhaltbarkeit für Emissionsminderungseinrichtungen von 160.000 km verlangt:
Die von dem Hersteller ergriffenen technischen Maßnahmen müssen außerdem sicherstellen, dass die Auspuff- und Verdunstungsemissionen während der gesamten normalen Lebensdauer eines Fahrzeuges bei normalen Nutzungsbedingungen entsprechend dieser Verordnung wirkungsvoll begrenzt werden. Daher ist die Übereinstimmung in Betrieb befindlicher Fahrzeuge über einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren oder 100 000 km zu kontrollieren; es gilt der Wert, der zuerst erreicht wird. Die Dauerhaltbarkeit emissionsmindernder Einrichtungen ist über eine Laufleistung von 160 000 km zu prüfen.
Diese Dauerhaltbarkeit ist bei den betroffenen Fahrzeugen von Ford nicht so gegeben, wie die Verordnung das vorschreibt.
Vor dem Rückruf hätte man die Darstellung im Focus als sachlich zutreffend bewertet. Stand heute, also Mai 2025, muss die Aussage mindestens als irreführend bewertet werden, weil vergessen wurde, den Rückruf und die im Regelfall für den Kunden kostenlose Reparatur zu erwähnen.
Der ADAC gab Ende 2024 für Euro 6-Diesel-PKW über alle Hersteller bei Fahrzeugen ab 160.000 km eine Durchfallquote von 4,7% beim ersten Versuch an [2]. Zwar wird keine separate Durchfallquote für Ford angegeben, aber Ford muss deutlich darüber liegen, sonst hätte es keinen Rückruf gegeben. Der Durchschnitt über alle anderen Hersteller liegt also bei weniger als 4,7%.
Der ADAC schreibt dort auch, dass Ford die Kosten nachträglich übernimmt, wenn Kunden vor dem Rückruf einen neuen Partikelfilter kaufen mussten, solange die üblichen Bedingungen (wie Einhaltung der Wartungsintervalle, siehe auch hierzu die Seite des ADAC [2]) erfüllt sind. Genau das macht die Aussagen des Focus hier besonders irreführend, denn der Artikel des Focus liest sich so, als hätten viele Ford-Kunden hier hohe Kosten. Haben sie aber im Regelfall nicht.
Unsinnige Behauptungen des Focus
Folgende falsche Thesen werden im verlinkten Artikel aufgestellt. Im Gegensatz zum Abschnitt oben geht es hier nicht um eine irreführende Darstellung, und auch nicht um etwas, das irgendwann in der Vergangenheit mal richtig war, sondern um kompletten Unsinn:
Aussage:
Eine verstopfte oder nicht funktionierende Abgasreinigung führt zu erhöhten Schadstoffemissionen und kann zum Durchfallen bei der HU führen.
Bewertung:
- Eine "nicht funktionierende Abgasreinigung" führt zu erhöhten Schadstoffemissionen: korrekt.
- wenn der DPF tatsächlich verstopft ist, leuchtet eine Warnlampe auf. In den Fällen, in denen das tatsächlich passiert, wäre ein Durchfallen durch die AU aber noch das kleinste Problem, da ein tatsächlich verstopfter DPF erhebliche Folgeschäden verursachen kann
- ein verstopfter DPF erhöht nicht den Partikelausstoß, da er ja verstopft ist und kaum noch etwas durchlässt. Fast alle Versuche, einen DPF nach einer gescheiterten AU "freizufahren", führen dazu, dass die Messwerte beim zweiten Versuch noch höher sind als beim ersten Versuch. Das Problem ist nicht, dass er verstopft ist, sondern dass er gerissen oder gebrochen ist. Ein DPF basiert zumindest teilweise darauf, dass sich Ruß an Ruß und Ruß an Asche ablagert. Ein völlig leerer DPF funktioniert auf den ersten Kilometern schlechter als ein gebrauchter DPF, in dem schon etwas drin Asche ist.
Aussage:
Hintergrund ist, dass Diesel-Fahrzeuge strenge Emissionsgrenzwerte einhalten müssen, um die Umweltbelastung zu minimieren. Neben dem Partikelfilter wird deshalb auch das Abgasrückführventil (AGR) geprüft. Dieses kann durch den im Abgas enthaltenen Ruß verkoken, so dass es sich nicht mehr richtig öffnet und schließt und damit die Emissionswerte verschlechtert. Ein defektes AGR führt ebenfalls zu einer negativen Bewertung.
Bewertung:
- Das ist Unsinn. "Das" AGR-Ventil könnte nicht einmal dann geprüft werden, wenn man das wollte. Bei der AU wird, was die Abgasrückführung betrifft, der Fehlerspeicher ausgelesen, und wenn das Motorsteuergerät ein Problem mit "dem" AGR-Ventil erkannt hat, dann leuchtet die Motorkontrollleuchte auf. Wenn die Motorkontrollleuchte leuchtet, dann fällt man durch die AU. Es ist aber nicht möglich, überraschend wegen der Abgasrückführung durch die AU zu fallen, es sei denn, die Motorkontrollleuchte ist defekt und leuchtet nicht. In diesem Fall würde man aber schon wegen der defekten Motorkontrollleuchte durch die HU fallen: einige Kontrollleuchten müssen beim Einschalten der Zündung zunächst aufleuchten, um zu zeigen, dass sie prinzipiell funktionieren, und dazu gehört unter anderem die Airbag-Kontrollleuchte und die Motorkontrollleuchte.
- Ich habe "das" AGR-Ventil im Singular in Anführungsstriche geschrieben, weil viele Euro 6-Fahrzeuge zwei AGR-Ventile haben (Hochdruck-AGR und Niederdruck-AGR, siehe dazu Abgasrückführung ist keine Abgasreinigung), das ist aber nur ein Nebenaspekt. Bei Motoren mit Hochdruck- und Niederdruck-AGR werden natürlich beide AGR-Ventile vom Fahrzeug selbst überwacht, und keines davon wird bei der AU getestet.
[1] Focus: In Deutschland fahren noch 14 Millionen Diesel - die haben beim TÜV teuren Nachteil (Quelle: Focus, abgerufen: 26.05.2025)
[2] Defekte Diesel-Partikelfilter: Ford ruft 770.000 Autos zurück (Quelle: ADAC, abgerufen: 26.05.2025)