Vorgeschichte

Durch inhaltlich falsche Berichterstattung der Medien glauben viele, dass "Dieselgate", wie der Skandal genannt wird, 2015 durch die kalifornische Umweltbehörde (CARB, California Air Resources Board) ans Licht gebracht wurde. Richtig ist nur, dass das Thema im Jahr 2015 genau dadurch der breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde. Tatsächlich war jedoch viel eher bekannt, dass bei den Stickoxid-Emissionen der meisten Diesel-PKW etwas nicht stimmt. Und das Phänomen, dass Schadstoffemissionen außerhalb des Testzyklus stark zunehmen, ist und war auch nicht auf Diesel-Fahrzeuge beschränkt. 

In diesem Teil soll es zunächst einmal darum gehen, was sich ereignet hat, bevor die kalifornische Umweltbehörde den Volkswagen-Konzern öffentlich beschuldigt hat, bei Abgastests betrogen zu haben. Hier sind einige wesentliche Elemente enthalten, die zeigen, dass sowohl Politiker als auch Journalisten wissentlich weggeschaut haben, und 2015 dann ganz überrascht getan haben. Wie man anhand der folgenden Beispiele sehen kann, kann kein Politiker und kein Journalist ernsthaft behaupten, 2015 wirklich völlig überrascht gewesen zu sein. Jede vorgetäuschte Überraschung, jedes vorgetäuschte Entsetzen sind als Heuchelei zu werten. Im Jahr 2015 waren solche Themen bereits seit 25 Jahren bekannt.

Test eines Benziners im Magerbetrieb von 1990

Im Jahr 1990 hat Auto Motor Sport einen Toyota Carina einem Abgastest unterzogen. Die Zusammenfassung muss man sich vermutlich mehrfach durchlesen: "Ein gravierender Nachteil ist jedoch der hohe NOx-Ausstoß. Die Schadstoff-Optimierung beschränkt sich offenbar auf den amtlich vorgeschriebenen Fahrzyklus.

Das ist insofern nicht überraschend, als dass es ganz normal ist, dass der geregelte Katalysator von Benzinern, auch heute, im Magerbetrieb nicht gegen Stickoxide wirkt. Magerbenziner benötigen einen NOx-Speicherkatalysator.

Foto aus: Auto Motor Sport, Heft 21 vom 05.10.1990, ab Seite 34

 

 

 

Tests von Motorrädern im Jahr 2000

Im Jahr 2000 hat ein Abgastest an Motorrädern einen merkwürdigen Anstieg des Kohlenmonoxid-Ausstoßes gezeigt, wenn man nicht im NEFZ, sondern unter realen Bedingungen getestet hat, und zwar z.B. von 1g CO/km auf 29g CO/km [5]. Die Autoren des Tests gehen von einer Erkennung des Prüfzyklus aus. Wenn also jemand behauptet, egal ob Politiker oder Journalist, dass so etwas gar nicht vorstellbar gewesen sei, dann ist diese Behauptung mindestens erstaunlich. Insbesondere, da ja vereinzelt doch in der Presse darüber berichtet wurde. 

Warnung des TÜV im Jahr 2005

Im Jahr 2005 hat der TÜV einen Bericht [4] ans Umweltbundesamt geschickt. Nach dem Test von 3 Benzin-PKW und 1 Diesel-PKW konnte man folgendes in diesem Bericht lesen:

1) Über einen Diesel-PKW:

Ein Fahrzeug war mit einem Dieselmotor ausgerüstet. Bei diesem Fahrzeug waren die CO- und HC-Emissionen bei allen Zyklen nahe Null. Andererseits scheint die Strategie der NOx-Reduzierung auf den Prüfzyklus zur Typgenehmigung optimiert zu sein.

2) Über einen Benzin-PKW:

Wegen des größeren Geschwindigkeitsbereiches und stärkerer Dynamik zeigt der CADC Zyklus generell höhere Emissionspegel und Unterschiede zwischen den Varianten als die beiden anderen Zyklen. Im Vergleich zu den EURO IV Grenzwerten sind die HC- und NOx-Emissionen immer noch niedrig. Aber die CO-Emissionen sind hoch, sogar bei heißen Bedingungen.... Bei den Versuchen mit Sonneneinstrahlung waren die Unterschiede zwischen mit und ohne Klimaanlage noch viel drastischer. In diesem Fall war die Raumtemperatur auf 35 °C eingestellt, die Sonneneinstrahlung betrug 850 W/m2. Dieser Betrieb führte zu extrem hohen Emissionen (+53% bei CO2, ein 9,5-mal höherer Wert für HC, ein 63-mal höherer Wert für NOx, ein 193-mal höherer Wert für CO). Die NOx-Emission bei Sonneneinstrahlung und einer Starttemperatur von 35 °C betrug 0,45 g/km statt 0,08 g/km, die CO-Emission 9,9 g/km statt 0,12 g/km. Dies führt zu dem Schluss, dass der Katalysator bei dieser Prüfung komplett außer Betrieb war. 

Bereits im Jahr 2005 lag also ein starker Anfangsverdacht vor, dass bei Diesel-PKW etwas mit den NOx-Emissionen nicht stimmt, und dass bei Benzinern spätestens dann, wenn man im Sommer die Klimaanlage benutzt, etwas mit den CO-Emissionen nicht stimmt (Grenzwert: 1,0g/km). Die NOx-Emissionen des Benziners mit laufender Klimaanlage waren auch zu hoch, aber nicht so hoch wie bei einem Diesel mit hohen NOx-Werten. 

Dass die CO2-Emissionen stark steigen, wenn man bei 35°C und Sonne die Klimaanlage benutzt, ist normal.

Warnungen seitens des ADAC im Jahr 2010

Im Jahr 2010 berichtete der Spiegel, dass der ADAC drei damals neue Euro 6 - Diesel-PKW getestet habe, und dass zwei davon sehr schlechte Ergebnisse erzielt hätten [3]. Konkret wurden im Autobahn-Abschnitt des ADAC-EcoTests bis zu 1200mg NOx/km gemessen. Zwar ist es in diesem Testabschnitt nicht nötig, den Grenzwert von 80mg NOx/km einzuhalten, eine Verfünfzehnfachung ist aber schon sehr viel. Natürlich ist ein Test mit 3 Fahrzeugen noch nicht statistisch relevant. Das Ergebnis legt jedoch den Beginn einer größeren Testreihe nahe, insbesondere, da bereits 2005 eine Messung des TÜVs auffällig war. Da bereits seit 2010 bekannt ist, dass auch Euro 6b-Fahrzeuge betroffen sind, kann niemand ernsthaft noch im Jahr 2018 oder 2019 behaupten, dass es sich um einen neuen Skandal handele oder dass es überraschend sei, dass auch Euro 6b-Fahrzeuge betroffen sind.

Warnungen seitens des ADAC im Jahr 2011

Der ADAC hat im Jahr 2011 weitere Daten veröffentlicht [1], die zumindest teilweise vom Umweltbundesamt stammten, und die auf Seite 9 zeigten, dass der NOx-Ausstoß von Euro 3-, Euro 4- und Euro 5 - Diesel-PKW außerhalb des Zulassungstestzyklus nicht wesentlich verschieden ist. Das ist merkwürdig, da laut diesen Daten Euro 3 - Diesel-PKW den ihnen erlaubten Spielraum ausschöpfen und dieser Spielraum mit Euro 4 und Euro 5 jeweils verkleinert wurde.

Das Wissen um die Veröffentlichung des ADAC aus den Jahren 2010 und 2011 ist wichtig, da Antidieseltrolle gerne versuchen, den ADAC zu diskretisieren, wenn er Messungen an Fahrzeugen der Abgasstufe Euro 6d-TEMP oder neuer veröffentlicht und die Ergebnisse bei diesen Fahrzeugen sehr gut sind. Das Troll-Argument ist dann: "Wo war bitte der ADAC? Warum ist denen nichts aufgefallen?" Diese Fragen sind Unsinn, da es dem ADAC sehr wohl aufgefallen ist und da der ADAC sehr wohl darüber berichtet hat.

Auffälliger Benziner im Jahr 2011

Ebenfalls im Jahr 2011 ist ein BMW 116i (also Benziner) negativ aufgefallen. Zitat aus [6]:

In einem vom ADAC ausgeführten Test, den die Deutsche Umwelthilfe gemeinsam mit dem Verkehrsclub Deutschland in Auftrag gegeben hatte, überschritt ein BMW 116i die geltenden Grenzwerte für Stickoxidemissionen (NOx) sowie die offiziellen CO2-Emissionen massiv. Das Fahrzeug weist im sogenannten Autobahnzyklus, der eine Fahrt auf freier Strecke simuliert, NOx Emissionen auf, die 30fach über dem Grenzwert des Prüfzyklus liegen.

Abgastests in den USA

Am 15. Mai 2014 wurde ein Bericht fertig gestellt, der einen sehr ausführlichen Abgastest an 3 US-Fahrzeugen beschreibt. Dieser ist unter [2] zu finden. Die 3 Fahrzeuge stammen aus den Modelljahren 2012 und 2013 (siehe Seite 2, im PDF: Seite 13 unter [2]) und wurden auf dem US-Gebrauchtwagenmarkt gekauft. Die Emissionen der Fahrzeuge wurden über mehrere tausend Kilometer gemessen. Um welche Fahrzeuge es sich genau handelte, wurde erst Jahre später veröffentlicht. Auf Seite 63 (im PDF: Seite 79) findet man eine Zusammenfassung zu den dabei gemessenen NOx-Emissionen: Während 2 Fahrzeuge viel zu hohe Emissionen zeigten, hat ein drittes (ein BMW X5) den Test bestanden. Außerhalb von Gebirgen emittierte es nur etwa so viel NOx, wie es die US-Abgasnormen erlaubten, nämlich 43 mg/km. Das ist etwa die Hälfte dessen, was Euro 6 erlaubt.

Damit war bewiesen, dass es bereits 2013 technisch möglich war, die von der Euro 6 - Norm maximal erlaubten NOx-Emissionen von 80 mg NOx/km auch unter realen Bedingungen einzuhalten. Anti-Diesel-Trolle bestreiten gelegentlich, dass das technisch überhaupt möglich sei1, was jedoch offensichtlich falsch ist. Das Ergebnis in den USA ist umso bemerkenswerter, als dass Diesel-Kraftstoff in den USA keinerlei Steuervorteil geniest, und ein höherer Fahrzeugpreis infolge der aufwendigeren Abgasreinigung nur sehr begrenzt akzeptiert wurde. 

Fun Facts

Anti-Diesel-Trolle hatten auf der Wikipedia-Seite über Abgasnormen eine Auflistung von Berichten über Abweichungen zwischen Labortests und Realbetrieb erstellt, aber ausschließlich solche Quellen verlinkt, die das Verhalten bei Diesel-Fahrzeugen zeigten. Mehrere Quellen zum gleichen Problem mit Benzinern, wie sie auch hier aufgelistet sind, habe ich erst Anfang 2021 nachtragen, obwohl die älteste von 1990 stammt.

Auch der Artikel über AdBlue war manipuliert. Dort wurde fälschlich behauptet, dass auf Grund einer angeblich zu geringen Größe des AdBlue-Tanks die Abgasreinigung nur kompromittiert möglich gewesen sein soll, obwohl die Wirkung eines SCR-Systems selbstverständlich nichts mit dem inneren Volumen des AdBlue-Tanks zu tun hat. Details hierzu finden sich im Artikel AdBlue und AdBlue-Verbrauch.

Externe Links

[1] Messungen an Euro 5- und Euro 6-Pkw im ADAC EcoTest (Quelle: ADAC, besucht am 10.08.2019)

[2] In-Use Emissions Testing of Light-Duty Diesel Vehicles in the United States (Quelle: WestVirginiaUniversity, besucht am 10.08.2019)

[3] Zweifel an der Abgasnorm (Quelle: Spiegel, abgerufen: 11.08.2019)

[4] Untersuchungen für eine Änderung der EU Richtlinie 93/116/EC (Messung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emission) (Quelle: Umweltbundesamt, abgerufen: 02.02.2020)

[5] Topfreiniger (Quelle: Motorradonline, abgerufen: 27.02.2020)

[6] Deutsche Umwelthilfe fordert von Herstellern wirklich saubere Fahrzeuge (Quelle: DUH, abgerufen: 29.09.2020)

Fußnoten

1: Nicht nur Antidieseltrolle bestreiten, dass Diesel-PKW so niedrige NOx-Emissionen haben können wie Benziner. Auch Personen und Organisationen, die generell gegen die Einhaltung von Grenzwerten und Abgasstandards sind, bestreiten, dass Diesel-PKW mit vertretbarem Aufwand emissionsarm sein können. Solche Personen und Organisationen wollen erreichen, dass die Automobilhersteller wenige Euro pro Fahrzeug sparen können, indem sie schlechtere Abgase emittieren. Bei denen ist folglich das Ziel, nicht gegen Dieselmotoren zu trollen, sondern gegen Luftreinhalte- und gegen Abgasstandards.